So schmeckt Afrika

06.04.2022

Interkulturelles Kochprojekt der Rheingauschule und der Beruflichen Schulen Rheingau Geisenheim statt Sprachreise/Schockierende Erzählungen geflüchteter Mädchen

Geisenheim. (sf) „Ich finde es echt toll, das wir hier heute mal afrikanisch kochen, vor allen die Zutaten, die ich zum größten Teil gar nicht kannte, und die ganz andere Art der Zubereitung verblüffen!“, erklärte der 14jährige Ole aus Winkel in der Großküche der Beruflichen Schulen auf Französisch. Er besucht wie seine 15 Klassenkameraden auch die Rheingauschule und lernt hier Französisch. Doch vergangenen Freitag stand für ihn und seine Klassenkameraden „Kochen“ statt Vokabeln pauken auf dem Plan. Und so wurden fleißig Zwiebeln geschält und geschnitten, Tomaten gewürfelt, Kartoffeln geschält und frittiert und vieles mehr. Zu verdanken hatten die Schüler diesen ungewöhnlichen Schultag ihren Lehrern, die sich das Projekt als Ausgleich zu der wegen der Pandemie ausgefallenen Sprachreise hatten einfallen lassen.

„So schmeckt Afrika!“ heißt das interkulturelle Kochprojekt der Rheingauschule und der Beruflichen Schulen Rheingau Geisenheim. „Bis Corona kam, war an der Rheingauschule Geisenheim (RGS) das Frühjahr geprägt von den Austauschfahrten der zweiten Fremdsprachen. Leider konnten auch in diesem Jahr unsere Lernenden keinen Austausch nach Frankreich und Spanien erleben und auch keine Begegnungsfahrt nach England unternehmen. Die Sprachfachschaften der RGS haben sich daher überlegt, eine Sprachenwoche stattfinden zu lassen, in deren Rahmen unsere Lernenden alle Fremdsprachen (Englisch, Französisch, Latein und Spanisch) hautnah und handlungsorientiert erleben können“, erklärte Studienrätin Michaela Hagen. Vergangene Woche fanden diese Veranstaltungen statt und die Sprachfachschaften boten den Lernenden der 9. Jahrgangsstufe Workshops, Videokonferenzen mit Frankreich und Spanien sowie virtuelle Reisen an. Einer der besonderen Höhepunkte der Sprachenwoche war jedoch auch das gemeinsam mit den Beruflichen Schulen Rheingau geplante interkulturelle Kochprojekt „So schmeckt Afrika!“. Dabei trafen 15 Französischlernende der 9. Klasse auf zwei Schülerinnen der BSR aus dem afrikanischen Guinea. Mit den beiden Mädchen, die alleine aus ihrem Heimatland geflüchtet sind und im Rheingau endlich eine neue Heimat mit Zukunftsaussichten gefunden haben, kochten die 14 bis 16 Jahre alten Rheingauschüler afrikanische Rezepte. Außerdem wurde während des gesamten Projekts vom gemeinsamen Einkaufen in einem afrikanischen Supermarkt in Wiesbaden bis hin zum gemeinsamen Essen französisch gesprochen. Bereits am Tag zuvor waren die Lernenden beider Schulen gemeinsam einkaufen gewesen und hatten die Zutaten für die beiden Hauptgerichte, darunter ein vegetarisches, und den süßen Nachtisch zubereitet. In zwei Gruppen wurde am Freitag dann in der Lehrküche der BSR gekocht und der köstliche Duft der afrikanischen Gerichte „Attiéké mit gebratenem Fisch“ und „Avocado-Paprika-Tomaten Salat“ zog sich durch das ganze Gebäude und lockte auch Schulleiter Schweers an, der von dem Projekt ebenfalls hellauf begeistert war. Sein besonderes Lob ging auch an die zuständigen Lehrer Michaela Hagen von der Rheingauschule, die von Referendarin Annika Matheis unterstützt wurde, und Eckhard Jung, der die Integrationsklasse betreut, die auch die beiden geflüchteten Mädchen besuchen. Im Rahmen des pädagogischen Tages hatten Hagen und Jung, die sich auch privat mit ihren Familien kennen, das gemeinsame Projekt statt der Sprachreise entwickelt und umgesetzt. Nur zu gerne habe man dafür auch die Räumlichkeiten der Lehrküche der BSR zur Verfügung gestellt, erklärte der begeisterte Schulleiter. „Wenn Corona ein Gutes gehabt hat, dann sind es solche neuen Wege, die wir gehen, und diese Kooperationen sollen auch weiterhin gepflegt werden!“, so Schweers, der sich wie die zuständigen Lehrer auch gut vorstellen kann, das das Projekt zu einer guten Tradition werden kann.

Und das Projekt war noch so viel mehr als gemeinsam kochen und französisch sprechen: Die beiden Mädchen sprachen mit den Schülern nicht nur über ihr Herkunftsland, sondern auch über ihre die Fluchtgründe und ihre Integrationserfahrungen in Deutschland. „Wesentliches Ziel beider Schulen ist es, die Integration Geflüchteter durch diesen interkulturellen Austausch zwischen Jugendlichen aus verschiedenen Welten zu fördern. Die Französisch-Fachschaft der RGS möchte vor allem den frankophonen Raum Afrika bewusst näherbringen, für Fluchtursachen und Gründe sensibilisieren, kulturelles Bewusstsein schaffen, auch über die Konfrontation mit Erfahrungen von Geflüchteten in Deutschland sowie im gemeinsamen Tun Barrieren überwinden!“, so Michaela Hagen. Aktuell besuchen die beiden geflüchteten Mädchen die Intensivklasse INTEA 1 mit der Zielsetzung,
möglichst schnell ihre Deutschkenntnisse zu verbessern und somit in das duale System und die Berufsausbildung oder auch in andere berufsbildende Schulformen und Bildungsgänge der BSR wechseln zu können.

Was die Mädchen allerdings zu erzählen hatten, schockte die Schüler der Rheingauschule: Die beiden Afrikanerinnen, gerade mal 16 und 17 Jahre alt, berichteten, dass sie mit 12 Jahren verheiratet worden seien, ihre Ehemänner, beide über 60 Jahre, hätten sie geschlagen und vergewaltigt. „Frauen und Mädchen dürfen vor Männern nicht sprechen!“, erläuterten sie den Schülern und erzählten von ihren schweren Erlebnissen auch während der Flucht, die neun Monate lang dauerte. Obwohl ihre Angst unvorstellbar groß gewesen war, hatten sich die beiden jungen Mädchen ganz alleine auf das Risiko der Flucht eingelassen: „Weil wir ein von Männern und Gewalt unabhängiges Leben führen wollen und weil wir lernen wollen!“, so die beiden Geflüchteten. Fatoumata sagte den deutschen Schülerinnen: „Ihr werdet geliebt und seid Prinzessinnen!“. Für die Rheingauschüler waren diese Erzählungen tief beeindruckend, sehr fremd und vor allem auch den Mädchen wurde klar, welch privilegiertes Leben sie in Deutschland haben.
Großen Spaß hatten dann auch alle zusammen beim Kochen und waren alle sehr engagiert bei der Arbeit in der Küche mit dabei. „Lebensmittel, Kochen und Essen sind allen Kulturen gemeinsam und verbinden Menschen verschiedenster Herkünfte, lassen so Einblicke zu und motivieren zu Reisen und Weltoffenheit!“, resümierten auch die für das Projekt verantwortlichen Lehrer und freuten sich, dass es so gelungen war.

Ein Bericht von Sabine Fladung vom 06.04.2022.

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