5 x ein Blind Date mit Ulrike Neradt

23.03.2024

Dating-App-Komödie „Klick ins Glück“ des Dreamteams Neradt und Golischewski begeisterte in der Brentanoscheune rund 170 Zuschauer

Winkel. (sf) „Kennen sie den Witz von den 101jährigen und der 99jährigen, die sich scheiden lassen wollten?“ - der Witz, der diesem Abend
gleich mehrfach erzählt, ließ bei rund 170 Gästen aus drei Generationen in der Winkeler Brentanoscheunen die Lachtränen fließen: „Warum haben Sie sich denn nicht viel früher scheiden lassen, wenn sie sich nicht mehr verstehen?“, fragte der Anwalt das Paar. Die Antwort: „Wir wollten warten, bis die Kinder alle gestorben sind!“. Gar nicht lustig fand das zunächst Frank Golischewski in seiner Rolle als frischgeschiedener Mann, der versuchte, eine neue Frau zu finden: Einsamer Pianist sucht passende Partnerin. Eigentlich doch gar kein Problem im Jahre 2024: Onlinedating ist angesagt. Ganz cool sucht man die Richtige von zu Hause vom Sofa und muss dafür noch nicht mal eine Hose anziehen: Strumpfsockig, mit Boxershorts unter dem langen weißen Hemd, dafür obenherum noch schnell mit passender Krawatte gestylt, setzte sich Golischewski an seinen Laptop. Ganz wie es Männer beim Homeoffice zu tun pflegen. Und ungeduldig wartete die erste von insgesamt fünf Damen an diesem Abend bereits: Ulrike Neradt saß am Tisch neben ihm, wie einst in den Schneeball-Komödien mit Doris Day für den sensiblen Pianisten offensichtlich nicht sichtbar, schlüpfte sie in Minutenschnelle im Laufe des Abends in fünf völlig verschiedene Rollen und bekam dafür den verdienten Beifall jeweils schon, bevor sie auch nur zu sprechen begann. Denn raffiniert hatte sie ihre jeweilige „rollentypische“ Kleidung und die Accessoires ausgewählt und präsentierte dazu den passenden Dialekt, die Tonart und die Sprache in verblüffender Verwandlung.

Und so bandelte der Pianist per Skype zunächst mit einer nett aussehenden Frau an, die sich jedoch als sehr eigenständige Persönlichkeit entpuppte. Die Rose neben dem Tablet ließ ihn hoffen, doch schon bekam er zu hören „Bisschen verwelkt, oder wie ist das gemeint?“. Denn auf seine Nettigkeiten bekam der einsame Single herbe Worte zu hören. Seine „irrsinnig kleinen Hände“ würden auf Engherzigkeit schließen lassen. Außerdem sei er humorlos und tja, ein „Schleimscheißer“. Erfolgslosigkeit würde er ausströmen, ätzte die rabiate Gesprächspartnerin und schaltete dann einfach ab. Frank Golischewski zog nicht nur ein langes Gesicht, sondern auch resigniert endlich auch seine Hosen an und tröstete sich mit Improvisationen über „Kann denn Liebe Sünde sein?“ an seinem Piano.
Und die unerwarteten Reaktionen wollte er dann auch beim nächsten Versuch vermeiden, denn ganz schnell war klar geworden, dass die Suche nach der Liebe dank der Dating-Plattformen keine ganz einfache Sache ist. Von wegen: welche Hürden der geschiedene Musiker auf diesen „Tummelplätzen der einsamen Herzen“ nehmen musste, ließ die Zuschauer 80 Minuten lang lauthals lachen. Auch beim zweiten „blind date“, denn hier wäre seine, von der ersten Frau als Schwäche gedeutete Höflichkeit, gerade richtig gewesen. Die Plattform hatte ihm jetzt eine nicht mehr ganz junge Dame als passende Partnerin vorgeschlagen: Brille, schwarzes Kleid mit weißem Kragen und Blümchenlampe. Der Pianist drehte den Spieß nun um, machte auf leger und humorvoll: jetzt erzählte er den Witz von der Scheidung des alten Ehepaares. Er forderte „Let`s talk about Sex“ und plapperte von Ameisenbären und hatte wieder keinen Erfolg: Die sichtlich gekränkte Lady ist erschreckt über seine nun überaus lockere Art, wird sauer und klickt ihn weg. Doch der einsame Tastenhengst gibt nicht auf, spielt Chopin in c-Moll und zieht sich für den dritten Versuch schick an. Dieses Mal trug Ulrike Neradt wildes Tigermuster und zwitscherte neben dem Videocall einen Piccolo rosé. Zunächst schien es zu funken zwischen den beiden. Er: „Ich bin einsam“, Sie: „Es ist grausam, allein zu sein“. Doch plötzlich erinnerte sich die flotte Seniorin daran, dass sie noch zur Wahl gehen muss. „Bleiben Sie locker“ riet sie dem Enttäuschten - und weg war sie. Der abgeblitzte Typ mit Sakko und Einstecktuch spielte die Eigenkomposition „Trauer“. Doch nach der Pause rappelt er sich auf: „I will survive!“.

Köstlich dann auch Versuch Nummer vier mit einer überaus spielfreudigen Ulrike Neradt als Hippie. Beleuchtet mit einem Schatten von esoterischem Grün in ihrem Haar ließ sie „Dinggg“ die Klangschale ertönen und mit „Ohmmmm“ stimmte sich „Frau Stoll-Wessenburg“, von Beruf Rechtspflegerin, auf das Gespräch mit dem Pianisten ein. Und sie laberte, ließ ihn nicht zu Wort kommen und warf dem so doch recht Sprachlosen vor, ironisch zu sein: „Ironische Menschen sind im Bett kitzelich“. Frank Golischewksi blieb wieder nichts anderes übrig, als sich zu unterwerfen und schwärmte eben noch von dem Glück, sich zu verlieben, als im nächsten Moment dann – zack - der Bildschirm wieder schwarz wurde.
Und das blieb er dann auch, denn das letzte Blinddate fand nicht mehr online, sondern real statt: Die ungekünstelte Freizeitsängerin in Bluse, Jeans und Trenchcoat überzeugte den Pianisten umgehend mit ihrer Interpretation von „Over the rainbow“ und dem tröstlichen „Es wird in hundert Jahren wieder so ein Frühling sein“, und er lud sie spontan in ein Weinlokal ein. Dann jedoch machte der so arg gebeutelte Single doch einen Rückzieher und während das Publikum noch rätselte, ob es jetzt wieder nichts wird, siegte der Charme der Musikliebhaberin und sie schleppte den tapferen Mann ab. So hatte das menschliche Chaos, dank moderner Technik traurig und komisch zugleich, doch ein Happy End: der einsame Pianist fand sein Glück, unerwartet, ungeplant analog.

Riesigen Beifall gab es für Ulrike Neradt, die wie ein echter Tausendsassa alle fünf Damen mit eigenem Charakterbild so brillant dargestellt hatte. Und natürlich auch für Pianist Frank Golischewski, der sich selbst und das männliche Geschlecht so wunderbar komisch auf die Schippe genommen hatte. Dazu gab es viel passende Musik, so dass die erste Aufführung der Komödie von Sylvia Hoffman auf der Rheingauer Weinbühne in der Brentanoscheune ein voller Erfolg wurde.

Ein Bericht von Sabine Fladung vom 23.03.2024.

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