250 Jahre Geschichte, Weinbau, Natur und sportlicher Geist

17.09.2025

Stefan Doktor begab sich 195 Kilometer per Drahtesel auf die Spätlesereiter-Tour 2.0 nach Fulda, um Genehmigung für die Weinlese einzuholen

Johannisberg. (sf) Die Entdeckung der Spätlese auf Schloss Johannisberg jährt sich in diesem Jahr zum 250. Mal und sie war eigentlich nur ein glücklicher Zufall, der den Weinbau weltweit nachhaltig veränderte: 1775 Jahren kam der traditionelle Trauben-Kurierreiter von Schloss Johannisberg auf seinem Ritt die Weinlese-Erlaubnis in Fulda zu holen, sprichwörtlich zu spät zurück. Doch genau daraus entstand etwas ganz Besonderes: Die Spätlese.
Im Spätsommer jenes Jahres machte sich ein junger Traubenkurier von Schloss Johannisberg – damals noch ein Kloster – auf den Weg nach Fulda. Seine Aufgabe: beim Fürstbischof die Erlaubnis zur Weinlese einzuholen. Aus bis heute ungeklärten Gründen verspätete er sich um zwei Wochen. Als der Kurierreiter endlich eintraf, waren die Trauben am Johannisberg schon verschrumpelt und begannen zu faulen. Doch statt sie wegzuwerfen, wagten die Mönche auf Schloss Johannisberg das Unerwartete und entdeckten einen Wein, der durch die Edelfäule seinen einzigartig feinen und aromatischen Geschmack bekam. Seitdem begeistert die Spätlese Weinliebhaber auf der ganzen Welt. Was 1775 als glücklicher Zufall begann, veränderte den deutschen Weinbau nachhaltig und das Ergebnis dieser Verzögerung war bahnbrechend: die Geburt einer neuen Stilistik – die Spätlese, wie man heute weltweit kennt und schätzt.

Zum 250jährigen Jubiläum der Entdeckung der Spätlese setzte Schloss Johannisberg jetzt ein besonderes Zeichen: Geschäftsführer Stefan Doktor begab sich wortwörtlich auf die Spuren des legendären Spätlesereiters. Doch anders als 1775, als die Reise hoch zu Pferd stattfand, trat Doktor dieses Mal in die Pedale und absolviert die gesamte 195 Kilometer-Strecke auf dem Rennrad. Mit dieser symbolischen Traubenreise von Johannisberg nach Fulda ließ er Geschichte lebendig werden und verband so Tradition mit moderner Interpretation.

Es sei ihm wichtig gewesen, dass dieses Jubiläum ein besonderes Zeichen gesetzt bekomme, erklärte Stefan Doktor am Donnerstag bei der Abfahrt auf Schloss Johannisberg. Nach einigen Vorbereitungen stand deshalb für ihn fest: „Ich fahre die Strecke mit dem Rennrad. Somit verbinden wir die Historie mit dem 21. Jahrhundert. Und bleiben dabei ökologisch, nachhaltig und sauber – alles, was uns wichtig ist.“

Zum Start der „Spätlesereiter-Tour 2.0“ waren Presse, Fernsehen und viele Fans gekommen. Darunter auch die Comic-Autoren Michael Apitz und Patrick Kunkel, die die Legende des Spätlesereiters 1988 als historischen Comic veröffentlichten und damit ein Beben in der Welt des Weines und des Comics auslösten. In dem Comic wird die Reise des Traubenkuriers mit vielen witzigen Szenen und historischem Hintergrund phantasievoll erzählt. Zwölf weitere, weltweit erfolgreiche Comics mit dem Helden „Karl Spätlesereiter“ folgten. Und auch die Spätlesereiter-Tour 2.0 begleitete Comiczeichner Michael Apitz mit einem eigens gezeichneten Logo, das sowohl das Outfit des neuen Kuriers Stefan Doktor zierte, als auch eine Flasche, in der die wertvollen Rieslingtrauben von Schloss Johannisberg transportiert wurden. Ganz vorsichtig legte Stefan Doktor vor laufenden Kameras diese Traubenbeeren in die Flasche, um sie per Pedales nach Fulda zu bringen. In strahlendem Sonnenschein verabschiedete sich der Geschäftsführer von Schloss Johannisberg am Denkmal des Spätlesereiters, setzte Helm und Brille auf, zog die stylischen VDP-Sportsocken hoch und fuhr los, den Johannisberg hinab zum ersten Streckenabschnitt Richtung Frankfurt. In drei Etappen führte ihn die knapp 200 Kilometer lange Route durch das Rhein-Main-Gebiet und weiter in den Hessischen Spessart. Über das Kinzigtal ging es schließlich bis nach Fulda. Auf der Strecke waren dabei etwa 1.000 Höhenmeter zu überwinden. Unterwegs gab es auch einen symbolischen Stopp in Lieblos bei Gründau – in Anlehnung an die Darstellung im Comic „Karl, der Spätlesereiter“: Die Autoren Apitz und Kunkel ließen dort den Überfall auf ihren Helden spielen. Es sei ein Genuss gewesen, die 195 Kilometer bei tollem Wetter nach Fulda zu radeln, berichtete Geschäftsführer von Schloss Johannisberg. „Bei den letzten Kilometern war ich etwas traurig, dass es zu Ende geht“, sagte Stefan Doktor strahlend.

Pünktlich traf er am dritten Tag in Fulda ein und ritt, nein radelte natürlich unter Jubel zahlreicher Gäste in den Fuldaer Schlosshof ein. Denn hier, rund um das Fuldaer Denkmal des einstigen Spätlesereiters, fand zeitgleich ein großes Weinfest statt, mit dem auch Fulda gebührend das 250jährige Jubiläum der Spätlese feierte. Fuldas Stadtbaurat Daniel Schreiner (parteilos) begrüßte im Schlosshof den Weingutsleiter von Schloss Johannisberg und kontrollierte, ob der Traubenkurier Stefan Doktor ganz traditionell die Trauben der Rheingauer Rieslingreben im Gepäck hat, um die Lesegenehmigung zu erhalten. Damit trat Stadtbaurat Daniel Schreiner die Rechtsnachfolge des einstigen Fürstbischofes an und durfte die Leseerlaubnis erteilen. Wie in der Geschichte des Spätlesereiters überreichte der Weingutsleiter symbolisch einige Trauben, die gemeinsam begutachtet und verkostet wurden. Genussvoll probierte Schreiner die mitgebrachten Trauben und mit dem Ausruf: „Fantastisch, was für ein Genuss“ konnte die Genehmigung erteilt werden. Nur noch zehn Traubenbeeren habe er retten können, obwohl der Behälter fast voll war, berichtete Stefan Doktor „Die sind zwar zuckersüß und perfekt für die Ernte geeignet, aber diese Reise hätte nicht länger dauern dürfen“, sagte er lachend. Bevor er die Erlaubnis zur Weinlese erteilte, orderte der Stadtbaurat noch schmunzelnd an, dass die ersten fünf Kisten des Johannisberger Weines 2025 direkt nach Fulda zu versenden seien. Dann war es endlich soweit und ein Anruf aus Fulda erreichte den Außenbetriebsleiter und Önologe von Schloss Johannisberg, Michel Städter im Rheingau: Telefonisch wurde ihm vom Weinfest in Fulda aus die „Lese-Erlaubnis“ für die Weinernte erteilt.

Nach dem Austausch einiger Geschenke lud Schreiner den Gast aus dem Rheingau dazu ein, auch beim Hessentag vorbeizukommen, um die jahrhundertealte Verbundenheit der beiden Regionen zu feiern. „Endlich kenne ich diese Reise einmal authentisch“, resümierte Stefan Doktor bei einem guten Glas Wein im Fuldaer Schlosshof. „Ich habe allerdings gehofft, dass ich in Erfahrung bringe, warum es zur Verspätung gekommen ist, leider bin ich der Wahrheit kein Stück nähergekommen“, erklärte er augenzwinkernd. Wichtig sei jedoch, dass man im 250. Jubiläumsjahr mit dieser besonderen Reise an die kulturelle Bedeutung der Spätlese erinnert habe und gleichzeitig eine Brücke zwischen Geschichte, Natur, modernem Weinbau und sportlichen Geist geschlagen habe.

Ein Bericht von Sabine FLadung vom 17.09.2025.

427

zurück zur Übersicht

 

Interessante Bücher zum Thema Rheingau und Wein:

  • Rheingau: Wanderkarte mit Radwegen
  • Burgen im Taunus und im Rheingau
  • Schreiende Stille: Tod eines Weinkritikers
  • Die Tränen der Loreley
  • Den Rheingau erleben

Übersicht über alle Bücher