Fassenacht for Future

22.02.2020

Grandiose Erbacher PZett-Sitzung mit närrischen Vorträgen auf ganz hohem Niveau begeisterte 300 Narren restlos

Erbach. (sf) „Erbach, mein Erbach, was biste so schee“ klang am vergangenen Wochenende immer wieder aus rund 300 Kehlen, denn im vierfarbbunt geschmückten Pfarrzentrum von Erbach, liebevoll „PZett“ genannt, tobte am Samstag und Sonntag der Bär: eine grandiose Fastnachtssitzung mit ganz viel jungen Narrenstars, tollen Gesangsgruppen und herrlichem Kokolores begeisterte die Gäste restlos. „Jede Nummer war ein Knaller“, kommentierten die Besucher unisono und die Stimmung im Saal mit immer wieder Standing Ovations für die ehrenamtlichen Akteure auf der Bühne zeigte, wie viel Spaß diese Fastnachtssitzung allen machte.

Den Anfang in der Bütt machte Sitzungspräsident Werner Fladung, der die Gäste närrisch begrüßte und zu einem Abend voller Narretei einlud und den Nagel auf den Kopf traf mit seinem Blick auf den Unsinn der Welt: „Ich halte mich in diesem Haus aus Politik so ziemlich raus doch geht das nicht in dieser Zeit, denkt dran, Erfurt ist nicht weit, wo Höcke, wie ihr sicher wisst, ein ausgewiesener Faschist, genüsslich seine Spielchen macht, strategisch klug und wohldurchdacht, um das Land, statts zu verwalten, nach seinem Willen tief zu spalten, um so in den nächsten Zeiten, den Weg zur Macht sich zu bereiten. Doch sowas darf niemals geschehen. Was daraus wird ham wir gesehen. Drum sage ichs hier, vor diesem Haus: jagt die Nazis besser raus. Lasst die Macht in unsren Staaten bei den echten Demokraten, denn wie uns die Geschichte lehrt: Wer Nazis wählt, der wählt verkehrt“.

Auch Protokoller Martin Görner hielt in den für ihn typischen geschliffenen Wortspielereien die närrischen Gegebenheiten in Stadt, Land und Welt fest. Jeder bekam sein Fett ab, vor allem auch wieder in der beliebten „Rubrik“ „kurz und knapp“ und die Erbacher waren von diesem Protokoll schlichtweg begeistert: „Willst Du demnächst auf Kreuzfahrt reisen, heißt dein Kapitän jetzt Silbereisen“, „Lässt du’s als Österreicher auf Ibiza krache, gibt’s Videos und du heißt Heinz-Christian Strache.

Ganz allerliebst waren dann die kleinen „Erbacher Wildschweine“, die das PZett und die Wingert unsicher machten. Doch die Winzer riefen um Hilfe und holten zwei Jäger auf die Bühne, die die kleinen Schweinchen erschießen wollten. Bis man auf die Idee kam, als besondere Attraktion auf dem Bolzplatz einen Streichelzoo einzurichten: „Wutz im Wingert, oh je – Wutz im Wingert, wie schee, so en Erbacher Wutz is ok“. Dafür bekamen die „Mini-Cats“ Lars Struppmann, Johanna Wissig, Lea Heinen, Marie Heinen, Simon Voth, Ben Gärtner, Steffen Gärtner, Charlotte Wissig, Fynn Gärtner und Tobias Voth riesigen Beifall.

In verschiedene Rollen wie der eines Senioren, eines Pfarrers oder eines Sternsingers gab sich Marcus Zerbe diesmal ein Stelldichein und erzählte, was er dabei so alles erlebte: „So wollte ich auch mal ein Sternsinger sein, ziehen durch Erbach mit Krone ganz fein. Doch außer mir war keiner da, denn von der großen Kinderschar, die einst stets da und immer verlässlich, waren alle krank, im Urlaub oder sonstwie unpässlich“.

Riesenstimmung brachte dann der in Erbach schon legendäre Bänkelsänger Hermann Fladung in den Saal mit seinem lustigen „Runner und hoch – vor un zurück“ Lied, bei dem er sich zwei besondere „Tänzerinnen“ zur Begleitung auf die Bühne holte: Bürgermeister Kunkel und Rainer Scholl mussten mit Rock und Perücke als „Gogo-Mädchen“ herhalten und taten dies auch mit närrischer Freude. Und vor allem auch Fladungs Auftritt im zweiten Teil des Programms als Dachdecker, der ein Hoch auf Jürgen Rohr sang, der das marode Dach im PZett gerettet hatte, war ein köstlicher Kokolores.

Sabine Fladung berichtete dann dem Publikum, wie es ist mit einem frischgebackenen Rentner im Haus: „Am erste Tag war ich geschockt, wie der im Fernsehsessel hockt. Was machst Du hier, war meine Frage – die Antwort war: „Ich wohne hier“ – „Abber doch nit vor vier!“.

Einen musikalischen Angriff auf die Lachmuskeln des Publikums unternahmen dann Wolfgang, Florian und Karin Müller mit Mechtild und Peter Spindler, Harald und Regina Niebler. Auf klimaneutralen Wegen wandelten die Narren mit E-Scooter, Kreuzfahrtschiff und Bahn und hatten dabei wieder einmal alles gut im Blick und glossierten die Geschehnisse in herrlich komischen Liedern: „Ich fahr einfach mit der Bahn, ab und zu kommt man auch an und man findet, das ist spitze, ab und zu en Platz zum Sitze. Wenn es mit viel Glück zu geht, kommt der Zug etwas zu spät, denn wenn er spät kommt, jubeln alle, der ist dann nit ausgefalle. Montags fehlt das Personal, Dienstags hat der Zug en Knall, Mittwochs ist es dann zu heiß, Donnerstags liegt was im Gleis. Freitags ist das Netz zu voll, Samstags weht der Wind zu doll, Sonntags kommt ein Erdrutsch dann, montags fängst von vorne an - müsst ihr pünktlich mal wo sein und steigt in den Zug ihr ein, kommt ihr garantiert nicht an - Ein Hoch auf unsre Bundesbahn“.

Ein ganz besonderer Glanzpunkt der Erbacher PZett-Sitzung ist seit vielen Jahren der junge Nachwuchsstar Benedikt Müller in seiner Rolle als Nepomuk. Und auch dieses Jahr stieg der „Heilige Erbacher“ wieder mit einem großartigen närrischen Bericht von seinem Sockel und rechnete mit den „Narren unne uff de Welt“ ab: „Manche Schönheit, die scheint heute in Gefahr. Des Meer ist weltweit grad so warm, wie es vorher noch nie war. Im Sommer sin die Böden trocke, in Australien brennt der Wald und für viele Gletscher is es leider nit ausreichend kalt. Niemand von uns kann allein dran ebbes richte und doch kann ich hier heute hoffnungsvolle Ansätze sichte: Euer Heizung in de Wohnstubb, die bleibt heut aus, denn bei so ner Sitzung kommt Wärme wie aus nem Kraftwerk raus. Nit aus Plastik, aus de Glasflasch trinke mir unsern Wein. Mir esse Eier vom Wacholderhof un mit Glück Salat vom Opa, statt dem eingeflogne Zeug aus Ländern fernab von Europa. Es muss nit jeden Tag des Steak aus Argentinien sein, mir wurde groß mit Spundekäs, der haut auch mächtig rein. Statt Kreuzfahrt singe mir heut Seemannslieder mit dem Charly und Peter, mir feiern heute nachhaltig, auf Deutsch: es wird später. Mir bringe Erbach so zum Leuchte, ganz ohne Kohlekraft, mir feiern Fassenacht for Future, des wird sagenhaft!“. Der ganze Saal stand beim Beifall für die großartige Büttenrede des 27jährigen Journalisten.

Mit einem ganzen Keller voller verstaubter Wildtrophäen ging der erste Teil des Abends zu Ende: Die PZ-Cats präsentierten sich in den schönsten Kostümen als Adler, Hirsch, Reh, Zebra, Löwe, Giraffe, Eichhörnchen und Hase, die früher in Erbacher Wohnzimmern und Gutsschänken an der Wand hingen und deshalb tüchtig aus dem Nähkästchen plaudern konnten: „In Eltville gibt es jetzt auch ein Rosenbad, ei do kannste in Rosenblätter baade, so entsorgt de clevere Kunkel die ganze abgefallene Rosenblätter von seine drei Milione Rosestöck. Un er macht Eltville auch zur essbaren Stadt – Des isses: mir esse Eltville einfach uff!“. Vor allem auch die lustigen Lieder der närrischen Trophäen waren kultverdächtig. Ohne Zugabe ließen die Gäste dann auch Martin Görner, Oliver und Julia Wissig, Stephy und Steffen Gärtner, Tanja Heinen, Danny Voth und Andrea Struppmann nicht von der Bühne. Nach so viel Kokolores war erst mal eine Pause angesagt, doch schon gleich zu Beginn des zweiten Teil ging es mit den „Mooskistos“, dem närrischen Nachwuchs der berüchtigten Erbacher Kisselbachstelzen, weiter. In diesem Jahr erzählte die lustige kleine Oma Karla Kirchner das Märchen von den schönen Prinzessinnen Birte Peters, Anna Kirchner und Sophie, Katharina und Victoria Moos, die ausgerechnet in Kiedrich nach einem schönen Millionär suchten und stattdessen Florian Müller fanden. Musikalisch musste der sich einiges sagen lassen: „Jetzt wissen wir: Millionäre machen uns nicht froh, die Kiddricher bleibe uff em Berg sowieso. Wenn wir den Mann für’s Leben suchen, suchen wir zu Hause am Kisselbach“.

„Fassenacht for Future war dann auch bei der Zeltlager-Gruppe angesagt: demonstrierend für ein besseres Klima, regionales Essen vom heimischen Bauern und gegen Nazis und rechtsradikale Parteien wie die AFD kamen Matthias Ott, Patrick Kopainski, Geburtstagskind Yannick Nägler, Katharina und Viktoria Moos, Wolfgang Müller, Fatima Khabzaoui und Lukas Fladung auf die Bühne. Nur Wolfgang Müller wusste nicht so recht, wofür er demonstrieren sollte und entschied sich schließlich für den närrischen „Ausschluss von Kidderich“. „Eure Meinung, die ist wichtig, steht für sie ein, denn so muss es wirklich in der Demokratie sein. Doch seid dabei friedlich und seid tolerant, denkt nicht nur an Geld, nutzt euren Verstand. Denkt an die anderen und helft aus der Not, wenn ihr das beachtet, seid ihr kein Idiot“, resümierten die närrischen Demonstranten und hatten damit ihr Publikum überzeugt.

Auch das „Erbacher närrische Fernsehen“ mit Sprecher Jonathan Heil informierte das Publikum über die neusten närrischen Nachrichten und das Klima: „Das politische Klima wird für 2020 weiter angespannt bleiben. Unsere Demokratie wird auch im kommenden Jahr Niederschläge verkraften müssen. Zuweilen ist sogar brauner Regen angekündigt. Doch auch das werden wir verkraften, denn auf Regen folgt ja bekanntlich Sonnenschein. Die Bundesregierung hat allerdings für das Jahr 2020 beschlossen, den Sommer abzuschaffen. Die letzten Jahre hätten einfach gezeigt, dass sich der Sommer sowohl wirtschaftlich als auch gesundheitlich nicht mehr für die Bundesbürger lohnen würde. Den Bauern sei im Sommer immer die Ernte verdorrrt und die Hitze habe den Leuten zu schaffen gemacht. Landwirtschaftsministerin Klöckner versicherte den Bürgern aber, dass man Vorkehrungen getroffen habe und ihre guten Freunde von Nestlé hätten genug Wasser für alle privatisiert“. Für den kommenden Sommer gab Heil den Tipp: „Einfach weniger waschen und Wein statt Wasser trinken!“.

Und immer noch nicht zu Ende, setzten wie gewohnt die Kisselbachstelzen der Erbacher Sitzung die Krone auf, als sie weiß perückt und im närrischen Beamtenoutfit unter dem Motto „Krexit“ wie im englischen Oberhaus verkündeten „Kiedrich haut aus‘m Rheingau ab!“. Denn Kidderich hatte den Antrag gestellt, weil man sich im gotischen Weindorf über die schlechte Verkehrsanbindung ärgere, es immer nur bergrunter in den Rheingau ginge und „man sich „do obbe“ den „Arsch abfriert“. Ganz im Gegenteil zum Brexit wurde dem Antrag schon nach kurzer Zeit stattgegeben und der „Krexit“ („Der sprachliche Ursprung dieses Begriffs liegt im Wort „Kräckse“) war beschlossen. Doch die strengen Kommissionsmitglieder hatten ihre Rechnung ohne ihr Mitglied Tobias Gahntz gemacht: er hatte sich auf dem Rieslingfest in ein Kiedricher Mädchen verliebt „sie hat ein Plumeau aus Frottee – ach wie schee“. Und weil die Kisselbachstelze echte Freude sind, halfen sie ihrem Kameraden und gemeindeten Kiedrich wieder in den Rheingau ein: „Kiddrich stört doch nicht wirklich, wir lassen es nicht gehen. Wir helfen unserem Freund und saufen uns Kiedrich schön. Es gibt Millionen von Sternen, der Rheingau, der hat tausend Laternen. Gut und Geld, gibt es viel auf der Welt, Kidderich gibt’s nur einmal für mich“. Kein Wunder, dass bei diesem Kokolores mit wirklich hohem Anspruch kein Auge trocken blieb. Ohne Zugabe und ohne die berühmte „Paula“ durften Tobias Gahntz, Michael und Stefan Moos und Burkhard Kirchner nicht von der Bühne. Doch die füllte sich kurz danach sowieso wieder, als alle Akteure mit dem Publikum das große Finale feierten. Bis in die Morgenstunden herrschte dann noch super Stimmung und wurde fleißig getanzt zur Musik von Charly und Peter Nägler, die die ganze Sitzung und alle Musikgruppen musikalisch begleitet hatten.

Ein Bericht von Sabine Fladung vom 22.02.2020.

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