Zweite Chance für Nähmaschine, Bügeleisen und Fön

07.06.2019

Das Repair-Café in Geisenheim hat neue Räumlichkeiten mit besseren Parkplätzen

Geisenheim. (sf) Was macht man mit einem Stuhl, an dem ein Bein kaputt ist? Mit einem Wasserkocher, der nicht mehr funktioniert? Oder mit einem Wollpullover mit Mottenlöchern? Wegwerfen? Das war gestern - heute geht man ins Repair-Café und repariert es einfach wieder. Weltweit boomen solche Repair-Cafés, die nicht nur nachhaltig die Umwelt schonen, weil viel weniger weggeworfen wird, sondern auch die Menschen zusammen bringen und zwar alles ehrenamtlich und fast kostenlos, da jeder sich einbringt. In Geisenheim gibt es seit September 2014 ein solches „Café“ und ist seitdem ein echter Renner. „Wir haben schon unglaubliche viele Geräte, Lieblingskleider- und Kissen, Möbelstücke und vieles mehr repariert“, erklärt der Projektleiter des Geisenheimer Repair-Cafés, Joachim Behrens.
Repair-Cafés sind ehrenamtliche Treffen, bei denen die Teilnehmer gemeinsam mit anderen ihre kaputten Dinge reparieren. In Europa werden Unmengen weggeworfen, auch Gegenstände, an denen nicht viel kaputt ist und die nach einer einfachen Reparatur problemlos wieder verwendet werden könnten. Leider ist das Reparieren bei den meisten Menschen aus der Mode gekommen. Sie wissen einfach nicht mehr, wie man Dinge repariert, denn das Wissen darüber verschwindet schnell. Die reparierten Gegenstände sind weiter brauchbar und die Grundstoff- und Energiemenge, die für die Herstellung neuer Produkte erforderlich ist, wird somit gespart. Das gilt auch für die CO2-Emissionen. Denn bei der Herstellung neuer Produkte und beim Recycling von Gebrauchtgegenständen wird CO2 freigesetzt. Im Repair-Café lernen Menschen, Gegenstände auf andere Weise wahrzunehmen. Und sie ganz neu wertzuschätzen: Das Repair-Café trägt zu einer Mentalitätsveränderung bei. Das ist dringend nötig, wenn Menschen für eine nachhaltige Gesellschaft eintreten sollen.
Bisher in der Geisenheimer Scheune beheimatet, hat das Geisenheimer Repair-Café jetzt neue Räumlichkeiten: jetzt ist es immer im Pfarrzentrum in Geisenheim anzutreffen. Das hat seinen Grund: in der Kulturscheune der Stadt Geisenheim habe man sich zwar auch wohlgefühlt, doch die Parkplatzsituation sei für die Helfer und die Kunden schlecht gewesen. „Viele unserer Kunden haben große Geräte wie mal einen Staubsauger, eine Nähmaschine oder Kaffeemaschine dabei und können damit nicht so weit laufen“, erklärte Margot Kayser-Häussler, die für Näharbeiten zuständig ist und selbst immer ihre schwere Nähmaschine mitbringt. Sie sei als Kunden zum Repair-Café gekommen und vom den Projekt so begeistert gewesen, dass sie gleich nachfragte, ob sie sich auch im Team einbringen könne. Und das konnte sie: mit ihrer Nähmaschine hat sie schon viele Kinderhosen geflickt und kaputte Lieblingsteile aus dem Kleiderschrank gerettet. Und noch mehr: „Einmal war ein kleines Mädchen da und so fasziniert vom Nähen mit der Maschine, dass sie fragte, ob sie auch mal darf. Ich hatte sie dann eingeladen, beim nächsten Mal mit Stoff wieder zu kommen und zusammen haben wir ein Täschchen für ihr Geodreieck genäht.“

Und wie in einem richtigen Café gibt es auch immer Kaffee und Kuchen für die stetig eintreffenden Besucher. Die werden höflich begrüßt von einem Helfer, der immer den Überblick zu behält und dann freundlich an die acht fleißigen Handwerker vermittelt, die schon emsig arbeitend an verschiedenen Tischen sitzt. In den neuen Räumlichkeiten am Dienstag gehört eine Dame mit einem alten, orangeroten Mixer zu den ersten Kunden. Auch er ist eine treuer Alltagsbegleiter, den die Frau nicht missen will und hofft, das ihr geholfen wird. Im Mittelpunkt steht schließlich auch, dass das Repair-Café zeigen möchte, dass Reparieren auch viel Spaß macht und relativ einfach ist. Jeden letzten Dienstagabend im Monat, haben die Besucher die Möglichkeit, mit ihren defekten Gegenstände von zu Hause in die Geisenheimer Scheune zu kommen, um kaputter Kleidung, Möbel, elektrische Geräte, Fahrräder, Spielzeug und vielem mehr einen zweite Chance zu geben. Vor Ort sind Reparaturexperten im Café, wie ehemalige Bauschlosser und Elektriker in Rente, die gerne mit ihrem Wissen helfen wollen. Gemeinsam mit dem Fachmann oder Fachfrau machen sich die Besucher im Café an die Arbeit, ihren kaputten Gegenstand zu reparieren. „Dabei kann man auch eine Menge lernen und wer nichts zu reparieren hat, nimmt sich eine Tasse Kaffee oder Tee. Oder hilft jemand anderem bei der Reparatur“, so weitere Hintergründe.
Die Idee des Repair-Cafés ist eine Initiative der niederländischen Journalistin Martine Postma. Seit 2007 setzt sie sich auf verschiedene Arten für Nachhaltigkeit auf lokaler Ebene ein. Das allererste Repair-Café organisierte Martine am 18. Oktober 2009 in Amsterdam. Es erwies sich als ein großer Erfolg. Für Martine war dies der Anlass, im Jahr 2010 die Stiftung „Stichting Repair-Café“ ins Leben zu rufen. Diese niederländische Non-Profit-Organisation bietet lokalen Gruppen im In- und Ausland, die selbst ein eigenes Repair-Café eröffnen wollen, seit 2011 professionelle Unterstützung an.
Für die Besucher gäbe es keine Garantie, dass der Reparatur-Versuch gelinge, aber sicher wird der eine oder andere mit einem wieder funktionierenden Gegenstand nach Hause gehen können und sich freuen, dass er die Kosten für eine Neu-Anschaffung gespart hat. Möglicherweise notwendige Ersatzteile zahlen die Besucher des Repair-Cafés selbst. Gerne bittet man dann auch um eine Spende, um das Repair-Café weiter zu betreiben und dem kommen die Besitzer der reparierten Gegenstände auch meist sehr gerne nach. So konnten aus den „Einnahmen“ schon 600 Euro an die Geisenheimer Kitas und 250 Euro für das Rheingau-Bad gespendet werden, denn das eingenommene Geld wird natürlich für gute Zwecke weitergegeben. Auch der Kirchort Heilig Kreuz in Geisenheim soll von diesen Spenden profitieren, schließlich darf das Repair-Café die Räume im Pfarrzentrum kostenlos nutzen.

Ein Bericht von Sabine Fladung vom 07.06.2019.

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