"Ich möchte nicht tauschen"

09.03.2016

Behindertengerechtes Gefängnis

Der Rüdesheimer Buchautor Peter Schön erzählte bei der Kolpingfamilie Oestrich aus seinem ungewöhnlich verlaufenen Leben

Oestrich. (sf) Es war an einem Sonntagabend, als Peter Schön zusammen mit zwei Kameraden zurück zu seiner Bundeswehr-Kaserne fahren wollte: ein amerikanischer Soldat hatte sich auf der Gegenfahrbahn direkt vor ihm wegen zu hoher Geschwindigkeit überschlagen und der umgedrehte Käfer stieß auf dem Dach liegend mit dem Auto des Aulhauseners zusammen. Ein folgenschwererer Unfall: der Verursacher verstarb und Peter Schön sitzt seitdem im Rollstuhl. 40 Jahre ist das her und Schön hat aus seinem Unglück das Beste gemacht: er ist ein beruflich sehr erfolgreicher, sportlich aktiver Vater von zwei Kindern, der sein Leben aus vollen Zügen genießt. Das alles hielt er auch fest in einem Buch mit dem vielsagenden Titel "Ich möchte nicht tauschen".

Aus diesem Buch, in dem er von seinem Leben als Rollstuhlfahrer berichtet, hatte Schön vergangenen Dienstagabend auf Einladung der Kolpingfamilie Oestrich einem interessierten Publikum vorgelesen. Rund 50 Gäste waren der Einladung der Oestricher Kolpingfamilie in die Pfarrscheune gekommen, um Peter Schöns amüsanten, aber auch nachdenklichen Bericht zu hören. Er schildete eindrucksvoll, wie er den schweren Unfall, die anschließende Zeit "zurück ins Leben", die völlige Neuausrichtung seines Lebens, die Gründung seiner Familie sowie seine berufliche Laufbahn gemeistert hat. "Gerade diese neue Lebenssituation hat mich zu einem starken, selbstbewussten Menschen werden lassen", erklärte Schön. "Ich hatte ein- bis zweimal richtig Pech im Leben, aber auch unheimlich viel Glück, für das ich sehr dankbar bin" ist sein Credo ans Leben.

Vor allem aber auch, wie man sich als Rollstuhlfahrer im "normalen Alltag" fühlt, welche Probleme es gibt, in welche Situationen man kommen kann, und wie man sie am besten löst, wurde an diesem Abend in den Fokus gerückt. "Wer hat sich schon einmal Gedanken darüber gemacht, dass Abgase von Autos einem Rollstuhlfahrer aufgrund der Sitzhöhe viel intensiver in die Nase steigen als einem Fußgänger, dass Hunde viel bedrohlicher wirken? Bei Volksfesten wie dem Erdbeerfest oder Rüdesheimer Weinfest, bei denen viele Menschen eng zusammen stehen, sieht man als Rollstuhlfahrer meinst nur "Hinterteile". Sind dort Stehtische aufgebaut, wird man als Rollstuhlfahrer aufgrund der unterschiedlichen Kommunikationshöhe zu den Stehenden nach ein paar Minuten einfach "vergessen", so Peter Schön.

Er berichtete auch von seinen zahlreichen Reisen und was er dabei erlebt hat: "Wenn man als Rollstuhlfahrer eine Flugreise unternimmt, gibt es ganz verschiedene Besonderheiten auf vielen internationalen Flughäfen. Am Flughafen Frankfurt zum Beispiel bin ich einmal mitsamt Gepäck und Rollstuhl rückwärts eine Rolltreppe hinuntergestürzt". Besonders kurios war die Story von einer Geschäftsreise nach New York: "Zwei Cops wollten mich ins Gefängnis stecken, weil der Pin meiner Kreditkarte nicht funktionierte. Die haben mir gesagt, die Gefängnisse wären dort behindertengerecht".

Das Publikum hörte sehr interessiert zu, als er davon berichtete, wie man, ohne seine Beine bewegen zu können, Auto fährt, seinen Rollstuhl im Auto verstaut und wie ärgerlich es ist, wenn unberechtigterweise auf Behindertenparkplätzen geparkt wird. "Der Rollstuhl hat sich mittlerweile zu einem Hightech Gerät entwickelt. Es gibt ihn sogar aus Titan und Karbon mit einem Gewicht von nur 6 Kilogramm, speziell angefertigt für die unterschiedlichsten Sportarten, von Basketball-Stühlen bis hin zu wahren Rennmaschinen", berichtete Peter Schön. Beeindruckt waren die Zuhörer, als er erzählte, wie er mit seinem "Handbike", das mit einem Rennrad vergleichbar sei, im Sommer rund 60 Kilometer täglich "herunterspult". "Damit halte ich mich fit", lacht er und berichtet, das er schon so manchen andere Rennradfahrer getroffen hat, der Mühe hatte, seine Geschwindigkeit zu halten.

"Ich fühle mich nicht behindert, sondern als Mensch, der mitten im Leben steht, der in der schwierigsten Phase seines Lebens einfach anpackt und etwas aus seinem Leben macht", sagte Peter Schön und die Zuhörer waren sehr angetan von den Ausführungen. Sie ließen sich von ihm in seinem launigen Vortrag mit auf eine ungewöhnliche Reise nehmen.

Ein Bericht von Sabine Fladung vom 09.03.2016.

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