Kletterwald

15.07.2015

Hallgarter Zange wachgeküßt

Eigentümerfamilie Riedel hat mit dem Indoor Kletter- und Eventzentrum Nordwand den höchsten Kletterpark im Rheingau eröffnet

Oestrich-Winkel. (sf) Die Hallgarter Zange ist aus ihrem jahrelangen Dornröschenschlaf erwacht und das mit einem Paukenschlag. Auf der markantesten Erhebung des Rheingaugebirges in 580 Meter Höhe der neue Nordwand Nature-Kletterpark eröffnet.

Schon gleich an den ersten beiden Tagen kamen viele interessierte Kletterfans, Wanderer, Radfahrer und natürlich offizielle Ehrengäste.

"Das ist voll abgefahren, das man hier auf einem echten Turm klettern kann und dann noch diese grandiose Aussicht, einfach nur cool", meinte der 20jährige Johannes aus Erbach. Mit seinen Freunden Jens aus Geisenheim und Robert und Alexander aus Winkel geht er regelmäßig klettern und bouldern, auch im der Wiesbadener Kletterhalle Nordwand sind sie oft zu Gast und kennen Klaus Michelis gut: "Der hat nur gute Ideen", bescheinigen die jungen Rheingauer ihm. Der Geschäftsführer des Indoor-Kletterparks Nordwand in Wiesbaden ist nach dem Ausstieg von Christian Nicolai neuer Partner von Rupert Riedel und seiner Mutter Celia Riedel-Nordhaus.

Wechselvolle Geschichte

Die Familie Riedel-Nordhaus habe schon lange einen kleinen Teil der Hallgartener Zange als Eigentum besessen und das Wahrzeichen liege ihr sehr am Herzen. Deshalb hatte Celia Riedel-Nordhaus schon Ende 2011 über ihre Wallufer Bauträgerfirma ION von dem Vorbesitzer Anterra alle Anteile an der Hallgartener Zange erworben. Anterra hatte die Zange bei der zweiten Zwangsversteigerung gekauft, nach dem Führungswechsel einer amerikanischen Firma dann aber das Interesse an dem einst so beliebten Ausflugsziel verloren.
In den letzten Jahren hatte der Ausflugsort eine wechselvolle Geschichte: 1884 hatte der Rhein-Taunus-Klub hier einen 14 Meter hohen Holzturm errichtet, 1906 wurde dann der eigentliche Aussichtsturm erbaut und drei Jahre später eingeweiht, 1971 trennte sich der Rhein-Taunus-Klub von der Immobilie und der Wallufer Architekt Kleinhenz ersteigerte die Zange für 300.000 Deutsche Mark und später auch das dazugehörige 8000 Quadratmeter große Grundstück, das ihm zunächst in Erbpacht übertragen wurde. Das Hauptgebäude mit Turm wurde saniert und mit Stahlbeton verstärkt und mit einem Aufzug versehen. Die maroden Nebengebäude wurden abgebrochen und ein 90-Plätze-Restaurant geplant. Doch die Nebengebäude bleiben im Rohbau stecken und werden noch nicht begonnen. 2002 bemühte sich der Förderkreis Rheinhöhenweg um die Zange, bis 2004 bewirtschaftete ein aktives Mitglied des Förderkreises das Restaurant als neuer Pächter. Ein Jahr später kam es dann zur ersten Zwangsverwaltung der Frankfurter Bethmann-Bank und zur Versteigerung. Wieder bewirtet dann ab April 2006 ein neuer Pächter die Zange, bis es Ende 2010 zur zweiten Zwangsverwaltung der Frankfurter Bethmann-Bank kommt. Die wollte sich von dem Objekt trennen und verkaufte die Anteile. Anfang 2012 wurden die Anteile von der heutigen Pächterin übernommen, sie beauftragte eine Unternehmensberatung mit der Erstellung eines Konzeptes.
Das Pachtobjekt um schreibt insgesamt ein 8.000 Quadratemter großes Grundstück mit dem Hauptgebäude mit Turm, der aufwendig saniert und einem Aufzug versehen wurde. "Hier wurde an nichts gespart und hier kann man sofort mit dem Gastronomiebetrieb beginnen", hieß es damals und tatsächlich ist der Turm ist ausgestattet mit einer kleine Weinstube und drei Hotelzimmer "vom Feinsten". Weiter gibt es einen kleinen Veranstaltungsraum und zwei große Veranstaltungsräume. 17 mögliche weitere Hotel-Doppelzimmer befinden sich noch fertig zu stellenden Nebenbau. Als alleinige Eigentümerin wollte die Familie Riedel die Möglichkeit nutzen, einen geeigneten Betreiber für das Restaurant und mögliche Hotel auf der Zange zu suchen. Unterstützung fand sie dabei auch von Seiten der Stadt Oestrich-Winkel und schon bald wurde Kontakt zu einem erfahrenen Berater erstellt, der selbst sehr erfolgreich Erlebnisgastronomie auf Schloß Auerbach in Bensheim betreibt. Doch zunächst blieben die gesuchten Betreiber leider aus und die Planungen, wie man die Hallgartener Zange erfolgreich und nachhaltig betreiben könne, zogen sich immer wieder in die Länge, der Dornröschenschlaf der Zange hielt weiter an. Dann plante der Architekt Rupert Riedel mit seinem Freund Christian Nicolai, der das Klosterhotel in Johannisberg betreibt, einen neuen Versuch. "Doch im Februar sagte mir Christian ab und ich dachte schon, jetzt wird es wieder nichts", erinnerte sich Riedel. Er habe einige schlaflose Nächte gehabt und danach einen Vorstoß gewagt und ohne große Vorbesprechungen, Klaus Michelis angerufen. Der Geschäftsführer der Kletterhalle Nordwand in Wiesbaden reagierte ganz unerwartet: "Ich habe Sie auch auf meiner Liste, Herr Riedel, ich suche schon lange ein geeignetes Gelände für einen Kletterpark", hatte er geantwortet.

Abenteuer pur

Was dann folgte, war wie ein Wirbelsturm, der die Zange wirklich aufweckte. Mit einem sehr engagierten Konzept, viel Arbeit in wenigen Wochen und mit spürbarer Freude aller beteiligten wurde aus dem Aussichtsturm, den die Rheingauer als weithin sichtbares Wahrzeichen in Hallgarten kennen, ein Kletterturm. Entweder am Seil gesichert, die Außenwand hoch oder mit dem Fahrstuhl können die Gäste seit vergangenem Wochenende den 25 Meter hohen Turm besteigen. Große Griffe und Tritte erleichtern auch den weniger geübten Kletterern, sich in schwindelerregende Höhen trauen. Hier erwartet sie dann ein unvergleichlicher Ausblick, eine Seilrutsche und ein Bungee-Seil, mit dem man auf Wunsch in die Tiefe springen kann. "Ich wollte schon lange zusätzlich zu unserem Kletterangebot in der Halle auch einen Park in einem Wald errichten. Und das hier ist einfach der Idealfall: ein echter Turm, den man erklettern kann, wo gibt es das schon. Hätte ich einen Kletterpark irgendwo im Wald errichtet, dann hätte ich extra eine Wand bauen müssen, das hier ist doch viel authentischer und hat unvergleichlich mehr Reiz", so der frühere BMW-Manager, der sich als fundiert ausgebildeter Klettertrainer den großen Lebenswunsch erfüllt hat, als er vor 12 Jahren den Schreibtisch mit dem Klettergurt tauschte. Mittlerweile hat er über 50 Trainer und Coachs, die seine Gäste nicht nur in der Kletterhalle in Wiesbaden, sondern auch auf Kurztripps, Feriencamps und Klassenfahrten zum Beispiel zum Felsen- oder Höhelenklettern nach Frankreich begleiten. Ein umfangreiches Angebot hat Michelis im Petto. "Allerdings hat mir immer ein Outdoorgelände gefehlt. Gerade in den Sommermonaten, wenn wegen des heißen Wetters nicht so viele in die Kletterhalle kommen, klaffte eine Lücke", erzählte er. Auch das er dann nicht alle seine Trainer, die er zum größten Teil selbst ausbildet, in diesen Monaten nicht beschäftigen konnte, störte ihn. Das soll jetzt anders werden, denn zusätzlich zu seinen bisherigen Mitarbeiter werden mindesten 15 neue Jobs auf der Hallgarter Zange dazu kommen.

Denn nicht zur den 25 Meter hohen Aussichtsturm kann man jetzt erklettern, auch der 1,25 Hektar große Kletterwald vor der Zange bietet für alle Altersstufen und für Jeden die passende Herausforderung. Bis zu 120 Übungen in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden gilt es zu erkunden, das vielseitige Wege-Netz bietet unendlich viele Möglichkeiten, durch die Anlage zu kommen. "So sind Staus kein Thema mehr. Von den Plattformen aus gehts im Eimer, auf dem Kanu oder auf wackeligem Untergrund weiter zum nächsten Punkt", so auch Ruppert Riedel, der sich von der Begeisterung seines Partner anstecken lässt. Besonders spannend sei es, das das Gelände des Kletterparks ein natürliches Gefälle hat: So kommen die Seilrutschen erst richtig zur Geltung". Diese Rutschen gehören zweifelsfrei zu den Highlights. Auch von dem 25 Meter hohen Turm geht es mit einer Seilrutsche ab in den Kletterpark. Und hier gehts von einer Base-Jump Plattform 10 Meter steil abwärts: "Das ist nichts für schwache Nerven, aber wer es etwas beschaulicher mag, der genießt den atemberaubenden Panoramablick vom Übungsklettersteig aus", schlägt der Chef-Kletterer vor.

Ganz groß geschrieben wird das Thema Sicherheit: "Der Kletterpark wurde von professionellen und erfahrenen Seilgartenbauern konzipiert und errichtet. Die Anlage zeichnet sich aus durch eine hochwertige und professionelle Konstruktion , gut ausgebildete Sicherheitstrainer, eine tägliche Kontrolle und Wartung der Anlage und durch ein umfassendes Notfallmanagement. Dem gesamten Konzept liegt ein Baumgutachten zu Grunde, in dem die Bäume auf Gesundheit und damit auf Stabilität und Tragfähigkeit untersucht wurden". Jeden Morgen sei es der erste Gang der Mitarbeiter die Tragfähigkeit der Seilrutsche oder auch des Bungee-Seils, das ein Gewicht von 15 Tonnen tragen kann, zu überprüfen.

Gastronomie

Und natürlich spielt im Gesamtkonzept der Hallgarter Zange auch die Gastronomie eine wichtige Rolle. "Die Zange war schon immer ein beliebter Ausflugsort im Rheingau und das soll sie auch wieder werden", so Klaus Michelis, der sich schon über erste Anmeldungen für Klassenausflüge der Rheingauer Schulen und sogar über erste Anfragen für Weihnachtsfeiern freut. Mit dem Catering-Service Tristan quer Beet GBR hat man den richtigen Partner an der Seite. Die Tristan quer Beet GbR wurde von den beiden Geschäftsführern Tristan Herrle und Christopher Knöller gegründet. Tristan Herrle erlernte seinen Beruf im 5 Sterne Hotel Mitteltal Bareis im Schwarzwald. Nach verschiedenen Aufenthalten im Ausland, darunter Italien und 5 Jahre in Göteborg, wo er im Sheraton Hotel als stellvertretender Küchenchef tätig war, ist er seit 1998 wieder in Deutschland tätig.

Christopher Knöller erlernte seinen Beruf im Hotel Sommerberg in Bad Wildbad, in den damals 2 Sterne Restaurant Kaminstube und 3 Sterne Restaurant Bereiss. Danach führten Ihn verschiedene Stellen quer durch das Land, darunter das 1 Stern Restaurant Künstlerkneipe in Karlsruhe und das 1 Stern Restaurant Kronenschlösschen in Hattenheim im Rheingau. Danach machte er seinen Küchenmeister in Bad Kreuznach. Kennen gelernt haben Sie sich 1998 bei ihrem ersten gemeinsamen Arbeitgeber Meyer Catering, für den sie das Restaurant Meyer's auf der Fressgass als Küchenchefs eröffnet haben. Die Wege der beiden trennten sich für eine kurze Zeit. Beide machten sich getrennt voneinander selbstständig, bis Sie gemeinsam 2002 im Tristan Restaurant und Catering tätig wurden. Im Januar 2012 zog das Catering aus Expansionsgründen nach Frankfurt Seckbach um. Auf der Hallgarter Zange ist das Team mit einer nagelneuen Küche und Mitarbeitern, die hier vor Ort frisch kochen, eingezogen. Zunächst noch mit Selbstbedienung, aber spätesten ab nächstem Jahr auch mit einem richtigen Restaurantbetrieb sollen Ausflügler, Wanderer, Biker genauso wie die Besucher des Kletterparks sich im "Hüttenflair" verwöhnen lassen können. Viel Wert wird auf frische, regionale Produkte gelegt, Hit war am Wochenende der "Zangen-Burger", auch in veganer und vegetarischer Version.

Hostel geplant

In der Wanderherberge, die der Vorbesitzer im Rohbau zurückließ und die auch weiterhin so heißen soll, sind die Handwerker noch am Werk. Die neun Zimmer werden allerdings erst in einem zweiten Schritt fertiggestellt. Sie sollen ab der nächsten Saison zur Verfügung stehen. Vorerst gibt es an der Hallgartener Zange nur die drei Turmzimmer, die ebenfalls mit einem tollen Blick bestechen. Natürlich sollen die Räumlichkeiten des Hostel, das man hier einrichten wird, auch für große Gruppen, Incentives und Events gebucht werden können. Ganz exklusiv bietet der Aussichtsturm jetzt schon ein paar wenige Turmzimmer für Gäste, die länger bleiben mögen. Ab kommender Saison stehen dann im neu renovierten Hostel Tagungsräume, sowie Zimmer mit Dusche und WC zur Verfügung". Die Partner hoffen, das sich hier Klassenfahrten oder Tagungen hier etablieren, ein umfassendes Konzeptangebot mit GPS-Wanderungen zum Kloster Eberbach, Kanufahrten auf dem Rhein und natürlich abenteuerlichen Ausflügen im Kletterpark inklusive. Klaus Michelis verfügt über ein reiches Ideen-Potential, sprüht nur so vor Begeisterung und bringt vor allem auch die nötige Erfahrung mit. "Schon jetzt haben sich zehn Kinder für unserer erstes Sommercamp, jetzt in den Sommerferien, angemeldet. Sie dürfen dann in Tipis hier vor dem Aussichtsturm übernachten, wir machen Lagerfeuer und es gibt Bogenschießen", erklärt er. Das ganze Gelände strahlt geradezu in seinem neuen Glanz, überall wurden neue Holzterrassen errichtet und die Arbeiter schufteten bis zu letzten Sekunde vor der Eröffnung am Wochenende. Trotz aller Eile und Emsigkeit, das neue Konzept der beiden neuen Partner nach so lange Zeit jetzt endlich noch in dieser Sommersaison zu verwirklichen habe man steht auf die Naturverträglichkeit und Nachhaltigkeit geachtet. "Beim Bau und Betrieb des Kletterparks haben wir großen Wert darauf gelegt, den Wald in seiner jetzigen wertvollen Mischkultur zu erleben und zu erhalten. Einige heimische, heute eher atypische Baumarten konnten in der Vergangenheit bewahrt werden, da ein Teil des Parks, in Privatbesitz, nie große Umforstungen erfahren hat. Diese Artenvielfalt soll auch in Zukunft erhalten bleiben", so auch Ruppert Riedel. Für die Besucher gibt es festgelegte Wege geben, so dass Flora und Fauna des Waldes bewahrt werden können. "Im Hinblick auf die Arterhaltung vorkommender Tiere werden Nistkästen für Vögel und Nisthöhlen für Fledermäuse im nahen Umkreis des Kletterparks angebracht. Außerdem wird ein "Schlangenhaus" errichtet", so die Partner. Ein entsprechendes Artenschutzgutachten sei bereits im Vorfeld der Maßnahme erstellt worden, informiert Riedel, dem jetzt noch bei dem langen Genehmigungs-Marathon für den Park der Schweiß ausbricht. Zwei Jahre professionelle Planung gingen diesem Mammut-Projekt voraus.

Doch gerade die Vereinbarkeit von Erlebnis und Natur sei eine Herzensangelegenheit bei Nordwand Nature. Die fast 70 Plattformen wurden möglichst schonend am Baum befestigt und die CO2-Emissionen durch den Aufbau, den Besucherverkehr und den Betrieb sollen berechnet und jedes Jahr durch Aufforsten kompensiert werden, erläutert Riedel.

"Die produktive Zusammenarbeit von Politik, Behörden und Initiatoren hat sich ausgezahlt: Die Hallgarter Zange erfährt endlich wieder die Bedeutung, die sie in der Vergangenheit hatte", resümierten dann auch alle Ehrengäste der großen Eröffnungsfeier am Samstagmorgen und genossen den einmaligen Panoramablick über den Rheingau bis nach Frankfurt vom 1906 erbauten Aussichtssturm aus.

Ein Bericht von Sabine Fladung vom 15.07.2015.

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