Pumuckl ist auch ein kleiner Rheingauer

18.01.2024

Die in Oestrich-Winkel aufgewachsene Katharina Köster gehört zu den Autoren der neuen Abenteuer des kleinen Kobolds.

Rheingau. (sf) „Was, der alte Meister Eder liegt hier unter der Erde, komm schnell, wir müssen ihn ausgraben!“, sagte der kleine Kobold mit den roten Haaren und begann eifrig das Grab umzuwühlen. „Nein, Pumuckl, wir können den Meister Eder nicht ausgraben, er ist tot, sein Körper liegt hier, aber seine Seele, die ist noch da!“ sagte Florian Eder und schlug vor, beim nächsten Besuch auf dem Friedhof gemeinsam ein Bierchen auf den alten Eder zu trinken. Die Folge „Der alte Eder“ aus der neuen Reihe der „Pumuckl-Filme“, die der Sender RTL zwischen Weihnachten und Silvester mit riesigem Erfolg ausstrahlte, stammt aus der Feder einer Rheingauerin: die in Oestrich-Winkel aufgewachsene Katharina Köster ist eine der Autoren der neuen Pumuckl-Folgen, die ein Millionenpublikum begeistern.

1984 in Wiesbaden geboren, hatte die Oestrich-Winkelerin schon in der Grundschule mit einer Freundin kleine Gedichtbände verfasst. „Später war ich manchmal regelrecht verzweifelt, dass die Fantasie so mit mir durchging, dass ich für meine Geschichten kein Ende finden konnte und bei Aufsätzen zehn Seiten und mehr geschrieben habe. Ein Deutschlehrer von meinem Gymnasium hat mir beim Abitur noch von einem völlig ausufernden Märchen erzählt, das ich in der fünften Klasse wohl geschrieben hatte. Eigentlich habe ich immer nach einem Weg gesucht, erzählen zu können – wenn wir bei einer Argumentation Thesen und Antithesen schreiben sollten, dann habe ich alles in Geschichten verpackt, einfach, weil es mir sonst selbst zu langweilig gewesen wäre!“, erzählt die heute in München lebende Mutter von drei Kindern.

Dennoch sei ihr damals nie in den Sinn gekommen, einmal Autorin zu werden: „Ich wusste ganz einfach nicht, dass man das beruflich machen kann. Das hatte nichts mit meinem Leben zu tun!“. Ihre Mutter Hildegard Köster ist von Beruf Sozialpädagogin und arbeitete im Kindergarten, Vater Olaf war Wertpapieranalyst. Doch Katharina Köster entwickelte eine eher künstlerische Ader, wenn auch zunächst auf einer ganz anderen Ebene: Ihre Ballettlehrerin Frau Röhrig aus Walluf erkannte bei dem Mädchen ein besonderes Talent und förderte Katharina als Tänzerin mit einem unentgeltlichen Training mehrmals in der Woche. Ziel sollte sein, dass Katharina das staatliche Dr. Hoch’s Konservatorium in Frankfurt besucht und dort eine vorbereitende Ballettausbildung absolviert. Die Aufnahmeprüfung bestand sie prompt. „Danach war mein Leben und auch das meiner Familie viele Jahre geprägt vom täglichen Training in Frankfurt. Teilweise hat meine Mutter mich hingefahren, teilweise ist meine Oma mit mir Zug gefahren. Das war richtig ernsthaft und hart, ich hatte nur noch während der Fahrten Zeit für Hausaufgaben und ich habe darüber viel Disziplin gelernt“, erinnert sich Katharina Köster.

Mit 14 Jahren sei dann aber auch wieder das Schreiben ernsthafter in ihr Leben getreten: Es gab einen Kurzgeschichtenwettbewerb der Eckenroth Stiftung für Medienkultur und Katharinas damalige Deutschlehrerin Frau Klöppner schlug ihr vor, teilzunehmen. „Kurze Zeit zuvor war mein Bruder gestorben und das beherrschte mein Leben zu dieser Zeit völlig. Bis dahin hatte ich versucht, Geschichten wie TKKG zu kopieren, aber mit einem Mal erschien mir das so sinnlos und ich wollte nur noch über Dinge schreiben, die mir wichtig waren und mich betrafen. Ich habe also über den Tod meines Bruders geschrieben und tatsächlich diesen Wettbewerb gewonnen“, erzählt sie.

Mit dem Gewinn des Wettbewerbs ging auch ein Schreibtraining der Eckenroth Stiftung für Katharina einher. Unabhängig davon fragte sie auf einem Trauer-Seminar die Autorin Marie-Thérèse Schins, ob sich Katharina vorstellen könne, in einem Buch über Trauer bei Jugendlichen mitzuschreiben. „Es gab damals viele Ratgeber für Eltern verstorbener Kinder, aber kaum einer beschäftigte sich mit der Gefühlswelt zurückgebliebener Geschwister, geschweige denn gab es Literatur aus der Sicht von Jugendlichen“, erinnert sie sich. „Und wenn ich falle?“, „Vom Mut, traurig zu sein“, „Um Kinder trauern“, „Eltern und Geschwister begegnen dem Tod“, „Du bist noch da?“ lauten die Titel der Bücher, bei denen Katharina Köster mitgeschrieben hat und zusammen mit der Autorin Marie-Thérèse Schins hatte sie sogar eine Lesung an ihrer damaligen Schule, der Sankt Ursula-Schule in Geisenheim.

Durch die Eckenroth-Stiftung ergaben sich für die Rheingauerin damals auch viele Möglichkeiten als Praktikantin die Theater- und Filmwelt kennen zu lernen. Beim Tanzen hingegen lief es nicht so gut, gesundheitliche Probleme, heftige Knieschmerzen, führten dazu, dass die 18jährige Katharina beschloss, das Ballett aufzugeben. „Das war eine sehr schmerzhafte Entscheidung, aber ich habe auch gesehen, dass ich wirklich nicht talentiert genug war und dass ich für wenige Jahre in hinterster Reihe bei härtestem Training meine Gesundheit geopfert hätte. Das Gute war, dass ich mit dem Schreiben etwas hatte, das mir ebenso viel Spaß machte. Aber mir war auch klar, dass ich auch damit nicht in eine sichere Zukunft steuere!“, erinnert sie sich. Ihr Ziel war eine gute Ausbildung, um ihre Chancen zu erhöhen. Sie bewarb sich an einer Schreibschule, bekam jedoch eine Absage, an der Filmhochschule in München hingegen wurde sie zur Aufnahmeprüfung eingeladen. Und die war nervenaufreibend: „Ich musste Treatments und Szenen schreiben – Textformen, die ich nicht kannte, ich musste auf der Straße Menschen fotografieren – ohne mich zuvor mit Fotografie beschäftigt zu haben. Ich war mein Leben lang wenig im Kino gewesen und zu Hause hatte unser Fernseher nur drei Programme. Ich war schon sehr viel unerfahrener und blauäugiger als die meisten anderen Bewerber und es wurden nur sehr wenige genommen!“. Und doch klappte es: Mit ihrer Idee, einen realen Amoklauf zum Thema zu machen, wurde Katharina Köster als Drehbuchstudentin in die Dokumentarfilmklasse gesteckt – wieder etwas komplett Neues für die Rheingauerin: „Ich kannte Dokumentarfilm überhaupt nicht. Aber das erste Dokumentarfilmfestival in München war wie ein Erweckungsmoment für mich: Die Filme waren so nah am Leben, es ging um wirklich relevante Themen und es waren häufig ganz kleine Geschichten aus Lebenswelten, die man sonst nie zu Gesicht bekommen hätte. Ich habe das Dokumentarfilmmachen ziemlich schnell lieben gelernt und meine ersten Filme gemacht. Dabei haben mich immer Themen interessiert, die mich selbst auch moralisch herausfordern, die bei mir und später auch beim Zuschauer neue Blickwinkel eröffnen und über die man im besten Fall später noch viel miteinander sprechen kann!“. „Natascha“ sei so ein Film gewesen – hier begleitet Katharina Köster eine geistig behinderte junge Frau, die ein Kind bekam. Für den Dokumentarfilm „Nach dem Happy End“ kam sie auch zurück in den Rheingau und begleitete einen Jungen nach seiner Herztransplantation über zehn Jahre lang: „Man würde erwarten, mit der Transplantation ist alles geschafft, aber wie lernt man mit 14 Jahren plötzlich zu leben, wenn es davor nur darum ging, zu überleben?“. In ihrem aktuellen Film, der dieses Jahr herauskommen wird und den Katharina Köster in Co-Regie mit ihrer Freundin Katrin Nemec gemacht hat, geht es um die Eltern eines Serienmörders, die ihr Kind lieben und zu ihm halten, aber dennoch nicht mit den Taten leben können, die er begangen hat.

„Rückblickend muss ich wirklich sagen, dass man wirklich nicht unterschätzen darf, was für einen Unterschied man als Erwachsener für ein Kind machen kann, wenn man etwas in ihm sieht und sich ihm annimmt – es ist so wichtig, dass es solche Menschen gibt! Wenn ich nicht diese Ballettlehrerin gehabt hätte, die Deutschlehrerin, diese Stiftung, niemals wäre ich auf die Idee gekommen, dass ich eine Autorin werden könnte. Und dann hatte ich auch noch Eltern, die bis zur Naivität bedingungslos an mich geglaubt haben - manchmal habe ich mich wirklich gefragt: „Müssten sie sich nicht Sorgen um mich machen und sagen „Vom Ballett kannst du nicht leben, vom Schreiben kannst du nicht leben, such Dir einen richtigen Beruf!“ – aber nein, sie kannten die Branche nicht und hatten keine Ahnung, was ich da tat, aber sie waren sich immer sicher, dass ich das schaffen würde!“, hält die erfolgreiche Filmautorin heute fest.

Copyright Filmfest München/ Volker Rebhan
Copyright Filmfest München/ Volker Rebhan

In ihrer neuen Heimat in München lernte sie schon während des Studiums ihren Ehemann Tobias Tempel kennen und wurde noch als Studentin auch Mutter. Mittlerweile hat das Paar, das in München lebt, drei Kinder zwischen 4 und 11 Jahren. Tobias Tempel ist Kameramann und arbeitet mit seiner Frau auch bei ihren Dokumentarfilmen zusammen. „Auch wenn ich seit 2005 in München bin – ich werde jedes Mal wehmütig, wenn ich in einen Biergarten gehe. Die Weinprobierstände am Rhein sind so viel schöner!“; bekennt sie.

Trotz der Kinder war sie immer als Autorin tätig, doch die Wahrscheinlichkeit, dass das dann auch gedreht wird, sei sehr gering. „Ich hatte große Angst, dass Kinderkriegen in so einer unsicheren Branche das Aus für die Karriere sein würde, und es ist auch so, dass man gerade als Frau ständig zeigen muss, dass man noch da ist. Wenn mein Mann bei einer Veranstaltung das Kind auf dem Arm hatte, wurde das wie eine Zusatzqualifikation gewertet, bei mir hieß es eher „Du kannst ja im Moment eh nichts machen“, so Katharina Köster.

Und dann trat der kleine rote Kobold Pumuckl in ihr Leben: „Es war während Corona, unsere älteste Tochter war in der ersten Klasse und ich machte mit ihr Homeschooling. Mein Mann erzählte mir, dass die Produktionsfirma „Neuesuper“ sich die Rechte an Pumuckl gesichert hatte. Wir hatten zuvor darüber gesprochen, dass ich, wenn ich mir ein Format im Fernsehen aussuchen dürfte, gerne für Pumuckl schreiben wollen würde, weil es einfach so frisch und ehrlich aus dem Leben heraus ist und sowohl Kinder als auch Erwachsene begeistern kann. Ich tippte also, während ich mit meiner Tochter Homeschooling im Kinderzimmer machte, die ersten Szenen, die tatsächlich zum Großteil schon das waren, was heute die Folge „Der alte Eder“ ist. Darin geht Pumuckl zum Friedhof und will den alten Meister Eder ausgraben, darüber erfährt er, was Tod bedeutet. Aber natürlich auf seine koboldige Weise. Ich konnte mir nicht vorstellen, eine neue Pumuckl-Serie zu machen und den alten Meister Eder einfach zu vergessen – damit hätten wir den Pumuckl nicht ernst genommen, der ja schließlich die Frage nach dem Verbleib seines alten Begleiters gestellt hätte. Und wir hätten die „alten Fans“ nicht ernst genommen, für die Pumuckl einfach zu Gustl Bayerhammer als Eder gehört. Ich habe die Szenen damals einfach an die „Neuesuper“ geschickt und wurde dann aber gebeten, bei einer offiziellen Ausschreibung mitzumachen, was ich dann auch tat“, erzählt Katharina Köster.

Sie wurde genommen und gehört damit zu den vier Autoren, die die „Neuen Geschichten vom Pumuckl“ geschrieben haben: neben Katharina Köster sind das Korbinian Dufter, der auch Produzent ist, Matthias Pacht und Moritz Binder. „Wir haben miteinander in Gesprächen entwickelt, wie wir Pumuckl heutzutage erzählen wollen. Kopieren wir alles und ersetzen Gustl Bayrhammer? Nehmen wir nur Pumuckl und setzen ihn in eine ganz andere Umgebung? Es hätte ja auch eine neue Werkstatt und ein 3D-Pumuckl werden können. Wir haben genau analysiert, was die alten Geschichten ausgemacht hat, was die Magie ausmacht, warum Pumuckl-Schauen sich anfühlt wie Nachhause-Kommen!“, beschreibt Katharina Köster diese Autorenarbeit. Sie habe bewusst auch viel mit ihren eigenen Kindern die alten Folgen angeschaut und sich notiert, was sie lustig finden und wo sie mitfiebern. „Wir haben viel Zeit damit verbracht, nach Themen zu suchen, die Kinder heute betreffen. Eine Pumuckl-Geschichte soll nicht nur lustig sein, man soll sich auch wiedererkennen können und was mitnehmen, ohne den moralischen Zeigefinger zu spüren. Auf der Suche nach Geschichten haben wir uns viel über Privates ausgetauscht. So kam es zum Beispiel zu der Geschichte, in der Pumuckl mit einer Himbeere einen Fisch angelt – das hatte meine Tochter tatsächlich eine Weile vorher getan. Oder im „Pferd vom Nil“ glaubt ein Kind, ein kleines unsichtbares Nilpferd wohne in ihrer Hosentasche – da hatte ich von meiner Tochter erzählt, die drei unsichtbare Katzen in ihrer Hosentasche wohnen hatte. Aber auch, wie Pumuckl manchmal argumentiert. Da waren unsere Kinder natürlich super Wortgeber. Wir haben gemeinsam über die Geschichten gesprochen und immer einer hat sie dann aufgeschrieben.“. Von Katharina Köster sind die Folgen „Der alte Eder“, „Werkstatt in Gefahr“, „Pumuckl geht Angeln“ und „Der verflixte Kaugummi“.

Wenn das Geschriebene dann real wird, ist das für eine Autorin natürlich etwas ganz Besonderes: „Das erste Mal am Set zu stehen war unglaublich. Ich musste die Wände anfassen, weil der Rost so echt aussah. Das Originalgebäude war komplett nachgebaut worden in einer riesigen Halle, das Haus mit Werkstatt und erstem Stock, der Innenhof, die Treppe in den Keller hinab, die Fassade des Vorderhauses, selbst Gullis wurden in den Boden gefräst. Das war wirklich ein gigantisches Set, das nun eingelagert ist und hoffentlich für eine zweite Staffel wieder aufgebaut wird!“. Auch ihre Tochter nahm Katharina Köster mal mit zum Set und der Produzent Korbinian Dufter war dabei: „Irgendwann ist er verschwunden und plötzlich schaukelte die Pumuckl-Schaukel hin und her. Und sofort war er da, der Pumuckl. Selbst wenn man genau weiß, wie das alles gemacht ist, wirkt der Zauber!“.

Es sei wunderbar, immer wieder zu spüren, wieviel Freude alle Zuschauer an den Pumuckl-Filmen haben. Und es sei auch jederzeit jedem im Team klar gewesen, dass man hier an etwas richtig Schönem arbeitet und was für ein Geschenk das sei. „Unzählige Male haben mir Leute aus dem Team gesagt, wie schön sie die Geschichten finden – das freut mich natürlich total. Der Regisseur Marcus H. Rosenmüller hatte mehrmals Tränen in den Augen bei den Lesungen!“, berichtet sie. Nicht nur die Fans hoffen sehr, dass es eine zweite Staffel geben wird.

Ein Bericht von Sabine Fladung vom 18.01.2024.

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