Feldmann auf den Spuren von Adam von Itzstein

31.10.2020

Frankfurter Oberbürgermeister besuchte das Revoluzzer Gartenhaus und genoss Provokateur Sekt

Hallgarten. (sf) Auf den Spuren des Liberalisten und Mitinitiatoren der Nationalversammlung in Frankfurt, Adam von Itzstein, wandelte am vergangenen Sonntag der Oberbürgermeister von Frankfurt, Peter Feldmann: Bei einem Besuch in Hallgarten mit 45 Teilnehmern besuchte Feldmann das Grab des bekannten Hallgarteners und nahm in majestätischer Begleitung der Hallgartener Weinmajestäten an einer informativen Weinprobe am Revoluzzer Gartenhaus teil.
Organisiert hatte die Reise mit dem Frankfurter Oberbürgermeister die Tourismus & Congress GmbH der Stadt Frankfurt: per Schiff führte der Ausflug von Frankfurt in den Rheingau. Stationen waren unter anderem der Besuch in Oestrich-Winkel und eine Übernachtung in der Krone in Assmannshausen. Vor allem aber für den Besuch in Hallgarten hatten sich die Gäste am Sonntag viel Zeit genommen, der historische Hintergrund der einstigen Liberalisten-Treffen dort und der Einblick in den Weinanbau vor Ort interessierten die Frankfurter Besucher sehr.
Empfangen wurde sie von Winzer Markus Bonsels, der die Gruppe zuerst zum Grab von Adam von Itzstein auf dem Hallgartener Friedhof führte. „Müde von den Jugendkämpfen deutscher Freiheit ruhet hier ein mutig Herz", steht hier auf seinem Grabmal. Johann Adam von Itzstein wurde 1775 in Mainz geboren, studierte Jura und kam 1819 als Hofgerichtsrat nach Mannheim. 1822 wählte man den Liberalisten in den badischen Landtag. Sein politisches Denken und Handeln war durch die Französische Revolution und deren Freiheitsideen geprägt.
Im von Itzstein begründeten „Hallgartener Kreis" trafen sich liberale Persönlichkeiten, darunter der Verfasser des Deutschlandliedes, Hoffmann von Fallersleben, Schriftsteller wie Ferdinand Freiligrath und Rudolf von Gottschall und August Hergenhahn. Die konspirativen Treffen sollen sich im sogenannten „Trommlerhaus“, einem kleinen Gästehaus ganz am Rand des Weingutes, oberhalb des Friedhofes, abgespielt haben. Das kleine Gartenhaus wurde von dem Winzer Markus Bonsels vom Hallgartener Weingut Bibo-Runge im vergangenen Jahr grundsaniert und ist jetzt als „Revoluzzer Gartenhaus“ Mittelpunkt kleiner Straußwirtschaftswochenenden.

Gastgeber Bonsels erklärte den Besuchern aus Frankfurt dann auch die Bedeutung der Treffen des „Hallgartener Kreises“ in diesem Gartenhaus, die sie für die Vorbereitung der ersten Nationalversammlung von 1848 hatten: „Auf dem Anwesen des Adam von Itzstein traf man sich damals, um über Meinungsfreiheit, Presse und Versammlungsfreiheit zu diskutieren“. Die politische Idee des Liberalismus wurde von diesem Mann und seinen Freunden mitentscheidend geprägt: Der „Hallgartener Kreis“, der sich von 1839 bis 1847 im Weingut in der heutigen Niederwaldstraße traf, wurde zum Ausgangspunkt einer starken Bewegung im deutschen Vormärz. Dieser Kreis wird gilt als eine Keimzelle der Deutschen Nationalversammlung von 1848 betrachtet. „Die persönliche Freiheit ist das kostbarste Gut des Bürgers", erklärte Adam von Itzstein damals schon sehr weitsichtig.

Itzstein zog 1848 in die Frankfurter Nationalversammlung ein und folgte ein Jahr später dem Rumpfparlament nach Stuttgart bis zu dessen gewaltsamer Auflösung.
Er war ein überzeugter Kämpfer für die Freiheit und setzte sich vehement gegen Absolutismus und für Demokratie und Menschenrechte ein. Er kämpfte für die Trennung von Justiz und Verwaltung und forderte öffentliche Verhandlungen statt geheimer Strafverfahren. Nicht zuletzt war er auch ein Vorkämpfer der Presse- und damit der Meinungsfreiheit. Doch viele der Freiheitskämpfer von damals mussten Deutschland verlassen oder verloren ihr Leben. Auch Itzstein floh in die Schweiz, dann ins Elsass. Ausgeschlossen aus dem Landtag und der Bürgerrechte enthoben, kehrte von Itzstein als gebrochener Mann 75jährig in den Rheingau zurück und starb am 14. September 1855 in Hallgarten.
An seinem Grabmal hob Markus Bonsels hervor, dass Adam von Itzstein, obwohl selbst aus vermögendem Hause, sich für Themen wie Gleichbehandlung und Pressefreiheit eingesetzt habe. „Schon während seines Jura- Studiums in Mainz engagierte er sich im Jakobinerclub, stark beeinflusst von der französischen Revolution“, so Bonsels. Er führte seine Gäste anschließend zu Fuß weiter zum „Revoluzzer-Gartenhaus“ und machte hier deutlich, dass Adam von Itzstein einst ein „Netzwerker“ war, der Menschen zusammenbrachte und verschiedene Meinungen durchaus zuließ. Spannend schilderte Bonsels einige historische Fakten und konnte berichten, dass von Itzstein 15 Prozent seines Gehaltes für Briefporto ausgab, weil er im ständigen Austausch mit vielen einflussreichen Vordenkern war. „Einer der bekanntesten Teilnehmer war Hoffmann von Fallersleben. Nachdem dieser 1842 auf Helgoland die Deutsche Nationalhymne geschrieben hatte, verbrachte er ab 1843 viele Monate auf dem Anwesen von Adam von Itzstein. Hier trug er Gedichte vor, und nahm aktiv an den Treffen des Hallgartener Kreises teil“, berichtete er.
Und natürlich ging es bei dem Besuch der Gäste aus Frankfurt auch um Wein. Dabei verriet der Winzer, dass man auch hier an die Tradition der von Itzsteins anknüpfe und heute wieder die Bibo Runge-Weine genauso herstelle wie vor 180 Jahren: „Von Hand gelesen, mit der Korbpresse gepresst, wie man sie auch in Kloster Eberbach sehen kann, und ohne Zugabe von Hefen im großen Holzfaß spontan vergoren“. Natürlich durften Peter Feldmann und seine Begleiter diese Weine auch probieren. Ausgeschenkt wurden sie von der Hallgartener Weinkönigin Katja und Weinprinzessin Lena. Der „KLEINER REVOLUZZER Riesling“ und der „ROMANTIKER vom Hendelberg“ wurden begeistert aufgenommen. Und da das Weingut Bibo Runge just an diesem Tag seine Weinlese abschloss, gab es zur Feier des Tages noch einen Schluck rosa Riesling Sekt „PROVOKATEUR“. Bei schönstem Herbstwetter genossen die Gäste die Zeit am Revoluzzer Gartenhaus und vor allem Oberbürgermeister Feldmann versprach, wiederzukommen, spätestens zum Start der Saison während der Schlemmerwochen 2021.

Ein Bericht von Sabine Fladung vom 31.10.2020.

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