Wein probieren, wo selbst der Rhein Pause macht
08.06.2025

Seit 50 Jahren Erfolgsgeschichte: Hattenheimer Winzer errichteten an Pfingsten 1975 ihren Weinprobierstand mit echten Weinfässern direkt am Rhein
Hattenheim. (sf) Genau 50 Jahre ist es her, dass die Hattenheimer Winzer die Einweihung ihres Weinprobierstandes feierten und die „Fässer", wie der Stand im Volksmund heißt, gehören ganz unbestritten zu den schönsten Probierständen im Rheingau. Ganz einmalig gelegen an den Rheinwiesen in Hattenheim, dort, wo geologisch nachweislich „selbst der Rhein eine Pause macht" - wie der Werbeslogan der Hattenheimer Winzer lautet - zieht der Weinprobierstand während der gesamten Sommermonate Besucher von nah und fern in Scharen an.
Der Weinprobierstand der Hattenheimer Winzer besteht aus drei echten Weinfässern mit einem Fassungsvolumen von jeweils 11.000 Litern. Die Holzfässer passen sich mit ihrem weintypischen Erscheinungsbild ganz harmonisch in die schöne Rheinlandschaft ein und sind seit 50 Jahren eine Erfolgsgeschichte: Durch seinen exponierten Standort direkt am romantischen Rheinufer ist der Weinprobierstand zu einem der beliebtesten Ausflugs- und Weinprobier-Ziele im Rheingau geworden.
1975 wurde der Stand auf den Rheinwiesen eröffnet, der den Besuchern die Möglichkeit gibt, sich wie einst Dionysos in die „Tonne" zurückzuziehen, um sich dem Genuss guter Tropfen hinzugeben. Mit enormem Aufwand hatte die bis heute bestehende Hattenheimer Fassgemeinschaft vor 50 Jahren die drei riesigen Weinfässer aus Gewölben in Maikammer gehievt. Jedes der drei Fässer wurde in seine Einzelteile zerlegt, um überhaupt nach Hattenheim transportiert werden zu können. „Heute hätten wir Schwierigkeiten, die Fässer wieder zusammenzubauen", so Norbert Barth, der langjährige, ehemalige Sprecher der Fassgemeinschaft. Es würde kaum noch Küfer geben, die in der Lage seien, die Fässer in Handarbeit zusammenzufügen. 1975 verfügte die Fassgemeinschaft noch selbst über das nötige „Know-how" und restaurierte die Fässer in sechs Wochen im Weingut Schloss Schönborn, bevor sie in den Rheinwiesen ihren endgültigen Standort fanden. Nur zwei Bäume hätten damals dort gestanden, heute bieten sie schattige Plätzchen an den Weinprobierfässern. Weitere urige Sitzgelegenheiten wie Holzstämme werden gerne genutzt.

Norbert Barth, der vor 50 Jahren die Idee zu diesem besonderen Konzept hatte, gibt anlässlich des 50jährigen Jubiläums spannende Einblicke in die Entstehungsgeschichte des Weinprobierstandes, die Herausforderungen der Anfangszeit und die Vision, die er damals mit seinen Mitstreitern verfolgte. So sei es der ursprüngliche Gedanke gewesen, das schöne Gelände am Rhein mit dem Anleger und Leinpfad sinnvoll zu nutzen: „Personen, die am Rhein spazieren gehen wollten, fanden in Hattenheim keinen Ort zum Pausieren oder Treffen in geselliger Runde. So kam mir die Idee, diesen Ort zu nutzen und den Menschen einen Platz zu geben, wo sie sich ungezwungen auf das ein oder andere Glas Wein treffen können“. Als Vorsitzender des Ortsvereins Hattenheim im Rheingauer Weinbauverband konnte Barth dann seine Hattenheimer Winzerkollegen für diesen neuen Weg begeistern und so etwas Neues für seinen Heimatort schaffen. „Insgesamt 15 Hattenheimer Betriebe waren sofort dabei und packten begeistert mit an, sodass 1975 die Weinprobierstand-Gemeinschaft gegründet und der Weinstand errichtet wurde“. Unvergessen sei das Erlebnis der Fahrt in die Pfalz, nach Maikammer, zur Zerlegung der Fässer und dem Transport nach Hattenheim. Und natürlich die Eröffnungsfeier an Pfingsten im Jahr 1975 bei damals prächtigem Wetter und mit staunenden Gästen.
Und auch die zahlreichen Überschwemmungen, wenn der Rhein wieder mal über seine Ufer tritt, haben dem Weinprobierstand in Hattenheim keinen Schaden zugefügt, lediglich die Fassböden wurden vor 20 Jahren ausgetauscht, wie Hans Lang sich erinnert.
Längst ist der Weinprobierstand ein Publikumsmagnet, der Besucher aus ganz Deutschland anzieht. Selbst bei Regen kommen Weinfreunde an die Fässer, denn seit 1980 gibt es auch eine Pergola als Bedachung. Auch das Innenleben der Fässer erfuhr im Laufe der Zeit immer wieder eine Aufwertung und die Winzer investieren bis heute viel Zeit und Geld, um die Weinfässer attraktiv zu halten. In den mächtigen Fässern, die mit Türen und Tresen versehen wurden, gibt es mittlerweile neben Strom-, Wasser- und Abwasseranschluss auch einen Brezelbackofen, dessen Produkte buchstäblich weggehen „wie warme Semmeln" und der aus der Inventarliste nicht mehr wegzudenken sei.

Doch vor allem ist es der köstliche Wein, der für regen Zuspruch sorgt. Vor allem an sonnigen Wochenenden haben die Hattenheimer Winzer alle Hände voll zu tun. Die „Schnutedunker" lassen sich auf den Bänken vor den Fässern nieder und genießen den mächtigen Rhein, der hier so friedlich fließt, und das lustige Familienleben der Enten und Schwäne. Unmittelbar am Probierstand führt der Leinpfad vorbei, auf diesem beliebten Spazierweg sind stets viele Wanderer und Radfahrer unterwegs, die dann bei den Fässern Halt machen und sich hier bei Wein und Brezeln stärken können. Und nicht wenige Besucher bringen Decken mit und lassen sich auf den Rheinwiesen zum Picknick nieder. Der Wein, der in die Gläser der Gäste fließt, kommt in jeder Woche in den Sommermonaten aus einem anderen Keller. Die 13 Winzer, die das Weinprobierfass heute gemeinsam betreiben, wechseln sich nach einem festen Terminplan ab. Jedes Weingut kann seinen Rebensaft eine Woche lang vorstellen und so auch neue Kunden werben. Damit sind die Weinprobierfässer ein Ort, an dem Jung und Alt zusammenkommen, um direkt am Rhein die Hattenheimer Weine und Sekte zu genießen. Und so wünschen sich die Gründungsväter von einst mit Norbert Barth an der Spitze auch für die Zukunft des Weinprobierstandes und für die nächsten Generationen von Besuchern und Weinliebhabern, dass das Geschaffene erhalten bleibt und der Zeit angepasst wird, sodass das erfolgreiche Konzept weiter Bestand hat: „Es soll ein Ort der Geselligkeit bleiben, wo ungezwungen Wein genossen werden kann“.
Ein Bericht von Sabine FLadung vom 08.06.2025.
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