Schulranzen als Torpfosten, Wein in der Schultüte und Traktor fahren

18.09.2023

Rheingauer Winzer erinnern sich an ihren ersten Schultag

Rheingau. (sf) Hunderte kleine Jungen und Mädchen erleben in diesen Tagen ihren ersten Schultag. Für die Erwachsenen beginnt damit oft „der Ernst des Lebens“, die Kinder hingegen freuen sich vor allem auf ihre Schultüte, die heute fast immer von den Müttern und Kindern im Vorfeld selbst gebastelt wird und natürlich zum schon vor Wochen ausgesuchten Schulranzen passen soll. Gespannt warten alle kleinen ABC-Schützen darauf, was sich wohl in den spitzen Tüten findet. Heute sind das zum Teil teure Spielsachen oder nützliche Gegenstände für den Schulalltag. Verbunden ist der erste Schultag heute meist mit einer kleinen Feier in der Schule, in deren Rahmen die älteren Grundschüler ihre neuen Mitschüler mit lustigen Sketchen, Liedern und Gedichten freundlich begrüßen. Oft gibt es auch ein kleines Fest in der Familie mit den Geschwistern und Großeltern. Auf jeden Fall ist der Schulanfang ein Leben lang ein Ereignis, das man nicht vergisst. Wir haben rund 40 Rheingauer Winzer gefragt, wie sie sich an ihren ersten Schultag erinnern. Folgende Winzer haben uns geantwortet:

Tanja Kohlhaas vom Weingut Kohlhaas in Erbach:

Meine Einschulung war 1982 in die Grundschule in Erbach im Bachhöller Weg.
Ich wurde als jüngste in der Klasse eingeschult und hatte immer Sehnsucht nach meinem Vater. Ich war früher ein Papa-Kind und eigentlich immer mit ihm unterwegs, Wein ausliefern oder auch in den Weinbergen. Am Anfang meiner Schulzeit bekam ich immer Bauchweh und meine Eltern mussten mich von der Schule abholen. Bis sie eines Tages dahintergekommen sind, dass das immer passierte, wenn ich meinen Vater mit dem Traktor an der Schule vorbeifahren gehört habe. Seit dem Tag wurde ich nicht mehr abgeholt und musste ausharren. Mein Vater ist dann meistens einen Umweg gefahren, damit er nicht an der Schule vorbei kam und ich ihn somit nicht hören konnte.

Frederik zu Knyphausen vom Weingut Baron zu Knyphausen in Erbach:

Von meinem ersten Schultag weiß ich noch, dass mein Schulranzen, Marke „Scout“, rot und gelb war und meine Schultüte vollgestopft mit Süßigkeiten. Auch meine Brüder hatten zur Feier des Tages ein kleines Säcklein mit Süßigkeiten bekommen
Meine Klassenlehrerin in der Grundschule in Erbach war Frau Breunig und mein Platz im Klassenraum war in der ersten Reihe vorne rechts. Der Einschultag war am 3. August 1982: zunächst gab es einen Schulgottesdienst und danach ging es zur Schule mit meinen beiden jüngeren Brüdern Dodo und Gisbert. Nach der Schule gab es ein fröhliches Mittagessen zu Hause mit der Familie auf dem Weingut. Sicherlich haben meine Eltern auch einen guten Wein aufgemacht. Ich freue mich, dass ich an dieser Erinnerungsreportage teilnehmen kann, es passt so gut: Heute bin ich verheiratet, habe vier Kinder und jetzt am 5. September wird unser drittes Kind eingeschult.

Carolin Weiler vom Weingut Weiler in Lorch:

Mein erster Schultag war aufregend! Ich konnte Tage vorher schon kaum schlafen, weil ich mir ausgemalt habe, wo ich sitzen würde, ob meine Lehrerin nett ist und wie überhaupt so ein Schultag verläuft. 1996 wurde ich in Lorch in der Wisperschule eingeschult. Frau Perrey hieß meine Lehrerin. Sie hat Deutsch unterrichtet.
Meine Schultüte war selbstgebastelt mit Motiven aus der Sendung mit der Maus.
In der Schultüte war eine heiß ersehnte Armbanduhr mit Leuchtzeigern, mein Mäppchen mit vielen Stiften, Süßigkeiten und Polly Pocket. Mein Schulranzen war von Scout und das Muster war eine Blumenwiese mit Schmetterlingen und Schnecken. Ich durfte zur Einschulung mein rotes Lieblingskleid anziehen.
Gefeiert haben wir meine Einschulung im damaligen Winzerhaus der Familie Unger in Lorch. Es gab ein leckeres Menü, mir ist aber nur das Eis in Erinnerung geblieben.
Der 1. Schultag ging viel zu schnell um. Wir kamen nach dem Gottesdienst in die Schule und haben unseren Platz im Klassenzimmer gezeigt bekommen. Ich saß direkt am Fenster neben meiner besten Freundin Sonja. Am liebsten habe ich in der Grundschule „Eckenrechnen“ gespielt. Im kleinen Einmaleins war ich richtig gut!

Elisabeth Uebe vom Weingut Brueder Eser in Oestrich:

Im Sommer 1975 wurde ich in Wentorf bei Hamburg eingeschult. Wir waren im Frühjahr erst dort hingezogen, mein Vater war Bundeswehroffizier und dort Bataillonskommandeur, meine Mutter Ärztin im Krankenhaus. Der Tag war sehr aufregend, ich kannte keinen meiner Mitschüler. Bald hatte ich aber in Carola eine beste Freundin für die Grundschuljahre gefunden. Wir waren 40 Kinder in der Klasse 1a, Frau Gartzke hatte uns aber gut im Griff, ich mochte sie sehr und habe in vielerlei Hinsicht viel von ihr gelernt. Sie war streng und doch warmherzig, ganz klar in ihren Ansagen und zugewandt. Auch nach meiner Grundschulzeit hatte ich noch Kontakt zu ihr. Meinen roten Lederranzen mit zwei weißen Streifen habe ich geliebt, große Bücher haben zwar nicht reingepasst, aber ich fand ihn großartig. Eine rote Schultüte gab es auch mit allerlei Nützlichem für die Schule und auch ein paar Süßigkeiten.
Mitte der 80er kam ich dann in den Rheingau, der natürlich im Heimatkundeunterricht in Wentorf keine Rolle gespielt hat, für uns fing Süddeutschland damals kurz hinter Hannover an. Alles eine Frage der Perspektive.

Frank Nikolai vom Weingut Heinz Nikolai in Erbach:

Ich wurde 1978 in Erbach in die Grundschule eingeschult. Wie wahrscheinlich für alle Erstklässler war es auch für mich ein sehr aufregender Tag. Meine erste Klassenlehrerin war Frau Eschborn, die heute noch in Erbach lebt und wohnt. Ich hatte eine sehr farbenfrohe Schultüte, in der selbstverständlich eine Flasche Rheingauer Riesling war aus meinem Geburtsjahrgang 1972. Wie üblich für diese Zeit hatte ich natürlich einen Schulranzen von der Firma Scout in Marineblau. Da die Grundschule ja direkt gegenüber von unserem Weingut liegt, hatte ich wahrscheinlich den allerkürzesten Schulweg in meiner Klasse und konnte mich mit dem Ertönen der Schulklingel jeden Morgen mal ganz gemütlich auf den Weg machen. Wenn ich morgens mein Pausenbrot vergessen hatte, konnte es meine Mutter noch in der großen Pause aus unserem Küchenfenster direkt zu mir herüber auf den Schulhof werfen..

Eva Raps und Urban Kaufmann vom Weingut Kaufmann in Hattenheim:

Urban ist das vierte Kind in seiner Familie und ich das dritte Kind, zu unserer Zeit wurde gar nicht so viel Aufhebens gemacht um den ersten Schultag. Deshalb gibt es von uns auch kein Foto. Urban ist 1971 geboren und kam 1977 in die Schule. Das Wohnhaus der Kaufmanns lag etwas außerhalb des Dorfes, zwei Kilometer von der Schule entfernt und zu Anfangs, bevor es irgendwann ein Fahrrad und später ein Mofa gab, musste Urban zweimal am Tag zur Schule laufen. Denn der Unterricht ging nach dem Mittagessen am Nachmittag weiter.
Ich bin 1967 im Dezember geboren und kam 1973 mit 5 Jahren in die Schule. Man musste dazu einen kleinen Test bestehen. Dazu gehörte auch, dass man mit dem Arm über den Kopf das Ohrläppchen berühren können musste. Das ist mir offensichtlich gelungen. Ich wollte nämlich unbedingt in die Schule, da die einzige Freundin und das einzige Mädchen aus unserem kleinen Dorf, ungefähr in meinem Alter, eingeschult wurden. Die Grundschule war in einem Ort acht Kilometer weit entfernt und wir sind immer mit dem Bus gefahren. Die Vorstellung, den Bus zu verpassen, war ganz fürchterlich, denn dann hätte es Schelte gegeben. Ich kann mich auch nicht erinnern, dass ich ihn jemals verpasst hätte. Ein intensiver Blick mit angehobenen Augenbrauen meines Vaters reichte aus, zu wissen wann es galt folgsam zu sein. Ich bedauere es nicht, in Zeiten aufgewachsen zu sein, in denen Disziplin und Ausdauer großgeschrieben wurden.

Burkhard Kirchner vom Weingut Kisselbach in Erbach:

Ganz so viel weiß ich von meinem Einschulungstag nicht mehr. Mir das damals nicht so wichtig, da ich eigentlich lieber weiter im Kindergarten mein Unwesen getrieben hätte. Eingeschult wurde ich 1979 in die Wiedbachschule in Bad Schwalbach. Es gab eine Feier in der Schule und am nächsten Tag einen Gottesdienst in der Reformationskirche, wo mein Vater zu der Zeit Pfarrer war. Mittags dann Schulbrezelessen mit Familie und Freunden. Meine erste Lehrerin war Frau Pomp. Natürlich hatte ich eine tolle Schultüte, mit allerlei Süßigkeiten, aber bei meinen Eltern bestimmt auch sinnvollem, das habe ich mir nur nicht gemerkt. Ich hatte einen blauen Scout Schulranzen, wie damals fast jeder Junge, die konnte man wunderbar als Torpfosten beim Kicken auf dem Pausenhof verwenden. In Bad Schwalbach war ich dann bis 1981 in der Schule, dann sind wir zum Glück nach Erbach gezogen und dann durfte ich bei Frau Merkel die Schulbank drücken. Mit meiner roten Hose und den blonden Harre kam ich damals schon bei den Mädels gut an

Ein Bericht von Sabine Fladung vom 18.09.2023.

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