"Das Geheimnis der Versöhnung heißt Erinnerung"

19.10.2016

Gemeinschaft der Flieger Deutscher Streitkräfte gedachte mit Soldaten aus vielen Nationen der gefallenen und verstorbenen Kameraden/60 Jahre Luftwaffe

Geisenheim. (sf) "Aus gelebter Tradition sind wir heute hier am Fliegerehrenmal in Geisenheim zusammengekommen - die Gemeinschaft der Flieger Deutscher Streitkräfte, aktive und ehemalige Soldaten, Freunde und Partner aus vielen Nationen - um gefallenen und verstorbenen Kameraden zu gedenken. So, wie es uns seit vielen Jahrzehnten wichtig ist - um die Erinnerung an unsere Kameraden wach zu halten, um zu mahnen und zu versöhnen. Wahre Versöhnung setzt immer das Erinnern an das Geschehene voraus. Oder wie eine alte jüdische Weisheit sagt: "Das Geheimnis der Versöhnung heißt Erinnerung." Also nicht das Verschweigen, nicht das Verdrängen, sondern die Erinnerung bereitet den Weg, die richtigen Schlüsse zu ziehen", sagte Generalmajor Günter Katz in seiner Festansprache anlässlich der alle drei Jahre stattfindenden Gedenkstunde am Geisenheimer Fliegerdenkmal.

Einen prächtigen Aufmarsch mit Fahnen und Musik erlebten am vergangenen Samstag die Geisenheimer am Fliegerdenkmal am Rheinufer. Aus der ganzen Welt waren Militäreinheiten der Luftstreitkräfte gekommen, um den Veteranen des Zweiten Weltkriegs die Ehre zu erweisen. Oberst a.D. Dieter Reiners, Referent Organisation der Gemeinschaft, begrüßte die Gäste. Alle drei Jahre treffen sich die Flieger, in Geisenheim, in Friedrichroda in Thüringen oder in Köln. "Unsere Themen sind Tradition und Gegenwart, wir wollen eine Brücke bilden zwischen der Vergangenheit und dem, was die Luftwaffe heute tut", sagten die Gäste. Denn die Mitglieder der Luftwaffe - Eurofighter, Tornados, Transportflieger - lebten manchmal auf ganz unterschiedlichen Ebenen.
Das Geisenheimer Fliegerdenkmal oder "Jagdfliegerehrenmal", wie es eigentlich heißt, wurde am 17. Oktober 1953 eingeweiht. Damals war der Ort am Rheinufer bereits seit einem Jahr Treffpunkt der Veteranen. Von ihnen leben nur noch wenige, mittlerweile sind sie über 90 Jahre alt. Auch aus Deutschland waren Veteranen gekommen sowie eine Witwe. Die Organisation sei verteilt über die ganze Bundesrepublik und weit über den Globus, bis Australien, erläuterte er. "Das Ziel unserer Gemeinschaft ist es, Brücken zu bauen zwischen Jung und Alt, Zivilpersonen und Militärs. Dazu zählt die heutige Wehrmacht genauso wie die NVA, wir sind jedoch keine politische Organisation, wir reden über Geschichte, geben aber keine Stellungnahmen zu aktuellen Problemen", sagte Reiners.
Zum Gedenktag gekommen waren außer den deutschen Fliegern elf Nationen mit ihren Fahnen: Finnland, Polen, Belgien, Ukraine, Russland, Niederlande, Großbritannien, Frankreich, Ungarn, Tschechien, Island und den USA - diese konnten allerdings nur ihre Flagge teilnehmen lassen, denn aufgrund der katastrophalen amerikanischen Haushaltssituation war ihre Anwesenheit zu Hause gefragt. Drei Tage lang kommunizierten rund 200 Teilnehmer am großen Militärtreffen im Rheingau miteinander, 50 aktive Soldaten, ganze Flugzeugbesatzungen, Systemoffiziere, Kommandeure waren zu Gast in mehreren Rheingauer Hotels. Begonnen hatte das Treffen, das auch im Zeichen des 60jährigen Jubiläums der Luftwaffe stand, schon am Freitag mit der Vertreterversammlung und einem gemütlichen Rundgang durch die Altstadt von Geisenheim. Abends traf man sich im Hotel Jesuitengarten zur "Freien Jagd". Am Samstagmorgen gab es dann im Johannisberger Bürgerhaus ein Symposium unter Federführung der Luftwaffe und für die Damen und Begleitungen einen Besuch des Schlosses Johannisberg mit Außenanlagen und Weinkeller. Nach Kaffee und Kuchen stand dann der Höhepunkt an: die Gedenkstunde am Fliegerdenkmal.

Eröffnet wurde der Gedenkappell anlässlich des Internationalen Fliegertreffens 2016 am Ehrenmal der Jagdflieger in Geisenheim mit dem Aufmarsch des Ehrenzugs, der vom Taktischen Luftwaffengeschwader 33 in Büchel gestellt und von Oberleutnant Schäfer geführt wurde. Die Kranzträger kamen vom Taktischen Luftwaffengeschwader 71 "Richthofen" in Wittmund. Die musikalische Begleitung hatte das Heeresmusikkorps Kassel unter der Leitung von Major Tobias Terhardt übernommen und eröffnete die Gedenkfeier mit dem Choral "Lobet den Herrn" von Johann Sebastian Bach. Danach sprach der Kommandeur Fliegende Verbände vom Luftwaffentruppenkommando, Generalmajor Günter Katz, zum 60jährigen Bestehen der Luftwaffe: "Als vor 60 Jahren unsere Luftwaffe aufgebaut wurde, waren Männer aus den Reihen der ehemaligen Flieger aktiv am Aufbau der Luftstreitkräfte beteiligt. Nach vorne blickend, gestaltend und ihre Erfahrungen einbringend. Im gleichen Jahr wurde aus diesen Reihen auch die Gemeinschaft der Jagdflieger e.V. gegründet, welche maßgeblich für die Errichtung des Fliegerehrenmals hier in Geisenheim am 17. Oktober 1959 verantwortlich ist. Es sollte ein Ort geschaffen werden, an dem in aller Bescheidenheit an das Schicksal der gefallenen und vermissten Kameraden gedacht und gleichzeitig kommenden Generationen die Grausamkeiten von Gewaltherrschaft, Terror und Krieg mahnend vor Augen geführt werden sollte. Von Anfang an stand dabei eine völkerverbindende Aufgabe - die Ehrung der im Dienst für ihr Land gestorbenen Flieger, die seit jeher fortgeführt wird. Nachdem das Ehrenmahl zunächst für die Jagdflieger stand, hat es sich über die Jahre zu einer Fliegerbegegnungsstätte für Nationen und Generationen entwickelt. Wie Anton Weiler es einmal ausgedrückt hat: hier sind wir zu Hause und hier fühlen wir uns wohl". Man sei aber auch aufgerufen, die Geschichte der Luftwaffe im jeweiligen Kontext Revue passieren zu lassen und auch kritisch zu hinterfragen: "In der Gegenwart lebend, gewähren uns unsere Augen nur den Blick auf den aktuellen Moment. Hier an diesem Ort haben wir die Gelegenheit, mit unserem Geiste und Herzen gleichzeitig zurück und nach vorne zu schauen. Nur wer seine Geschichte kennt und es versteht, sie in einen größeren Zusammenhang einzuordnen, kann in der Gegenwart und in der Zukunft auf einer soliden Basis handeln". Generalmajor Katz erinnerte an die vielen Abstürze im täglichen Flugbetrieb seit Aufbau der Luftwaffe und an die Opfer der Starfighter-Krise, das wohl dunkelste Kapitel der Geschichte der Luftwaffe.

"Wir alle hier, bis auf wenige Ausnahmen, hatten das Privileg, friedlich aufzuwachsen. Unser Alltag ist von Frieden bestimmt. Wir alle wissen aber auch, dass Frieden ein zerbrechliches Gut ist, welches stetigen Schutzes bedarf. Gerade die vergangen Monate haben uns die Zerbrechlichkeit des Friedens auch im Herzen Europas bewusst gemacht. Bilder und Nachrichten von den Anschlägen in Paris, Nizza, Brüssel, Istanbul und Ankara haben gezeigt, dass der Terror auch in Europa angekommen ist. Mit den Anschlägen in Würzburg und Ansbach wurde uns spätestens bewusst, dass diese Bedrohung auch nicht vor unserer Landesgrenze halt macht", so der Generalmajor. Frieden sei nie ein statischer Zustand, sondern vielmehr ein Weg, den man Schritt für Schritt gehe: "Das gilt für den Frieden mit anderen wie für den mit sich selbst. Auf diesem Weg wird ein alter Streit nichtig und Grundlagen für neue Freundschaften entstehen - manchmal auch ein kompletter Neuanfang". Er appellierte an die Gäste aus allen Nationen, gemeinsam alles dazu beizutragen, um eine Zukunft zu schaffen, für die es sich zu leben lohnt: "Eine glückliche, friedliche Zukunft für alle. Wir wollen zusammen unseren Beitrag leisten, damit wir gemeinsam in Frieden leben können. Damit kein Mensch für diese Idee vergeblich gestorben ist, kein Leben je vergessen wird".
Es folgte eine Schweigeminute und das Signal "Last Post". Anschließend verlas Oberst Holger Neumann, Kommodore des Takt Lw G 74, die Namen der Kameraden der Gemeinschaft, die seit dem Treffen 2015 verstorben sind, darunter auch der ehemalige Bundespräsident Walter Scheel. Besonders beeindruckend war dann die große Kranzniederlegung, die das Musikkorps mit dem Lied "Vom guten Kameraden" einläutete. Militärische Vertreter von Belgien, Großbritannien und Nordirland, Island, Niederlande, Italien, der Russischen Föderation, Spanien, Ukraine, USA, Flieger der ehemaligen NVA, der Gemeinschaft der Transportflieger, der Catus Starfighter Staffel, der Deutschen Tornado Staffel, der Deutschen Phantom Staffel, der Traditionsgemeinschaft Richthofen, der deutschen Luftwaffe und der Gemeinschaft der Flieger Deutscher Streitkräfte legten jeweils einen Kranz mit militärischen Ehren nieder, ebenso wie die Stadt Geisenheim und die Witwen. Mit der deutschen Nationalhymne wurde der Gedenkappell beendet.
Nach dem feierlichen Treffen gab es am Abend im Mainzer Hof in Eltville einen festlichen Abend und zum Abschluss des Treffens am Sonntag eine Bootstour auf dem Rhein an Bord der "Robert Stolz".

Ein Bericht von Sabine Fladung vom 19.10.2016.

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